Die Farben des Chaos
Außerdem war die Tür hinter ihnen vermutlich mit einem Riegel aus Eisen gesichert.
Nun, früher oder später würde der Fürst etwas essen müssen. Cerryl setzte sich neben dem breiten Schrank auf den Boden. Er war müde und musste sich ausruhen.
»Was hast du da?«, fragte einer der Wächter. Seine Stimme hallte unnatürlich laut im schmalen Flur.
Cerryl gab sich einen Ruck, bis er wieder ganz wach war. Hatte er die Schilde etwa fallen lassen? Dann lächelte er. Trotz der Kerzen in den Wandhaltern war es im Flur so dunkel, dass man ihn erst bemerken würde, wenn man über ihn gestolpert wäre.
»Der allabendliche Apfelwein für den Fürsten. Heiß, wie er ihn haben will. Willst du, dass er kalt wird?«
Cerryl schauderte. Entweder die Frau hatte ihn nicht gesehen oder sie war eine andere Treppe heraufgekommen. Er schluckte und überprüfte die Schilde, dann stand er vorsichtig wieder auf und schob sich auf der anderen Seite des Flurs weiter, bis er fast hinter der Frau stand.
Sie drehte sich um und runzelte die Stirn und er hielt den Atem an, wie er knapp zwei Ellen hinter ihr stand, direkt unter einem gerahmten Porträt.
»Ich dachte, da wäre jemand …«, murmelte sie.
»Da ist nur das Bild, Misty. Nur das Bild«, lachte einer der Wächter.
Der Zweite klopfte unterdessen an. »Misty ist mit Eurem Apfelwein gekommen, Herr. Wollt Ihr …« Er drehte sich um. »Er will den Apfelwein haben.« Er griff nach dem schweren Eisenriegel.
Cerryl konnte hören, wie auch von drinnen ein Riegel zurückgezogen wurde.
Der Wächter auf der rechten Seite deutete vor dem Zimmermädchen eine Verbeugung an. Cerryl wartete, bis er sich wieder aufgerichtet hatte, und trat einfach hinter dem Mädchen mit dem Tablett ins Zimmer. Er schaffte es gerade eben, bevor die schwere Holztür mit einem dumpfen Knall hinter ihm geschlossen wurde.
Auf der rechten Seite des Raumes, in dem Cerryl jetzt stand, gab es einen großen Kamin, in dem ein niedriges Feuer brannte. Cerryl wurde es sofort wärmer. Er war dankbar für die Wärme, nachdem er eine Weile draußen vor der Tür in der Kälte gewartet hatte. Vor dem Kamin saß Ferobar auf einer abgewetzten grünen Couch mit einem Buch. Auf dem Tisch rechts neben dem Fürsten stand eine Messinglampe, die jedoch weniger Licht spendete als das Feuer. Auf dem Tisch auf der linken Seite stand eine Schale mit Früchten, aber sonst nichts, was Cerryl mit den Sinnen spüren konnte. In die Wand, die der Tür gegenüber lag, waren vier Erkerfenster mit gepolsterten Sitzbänken darunter eingelassen. Die Fenster waren geschlossen und mit Läden gesichert.
»Hier wäre Euer Apfelwein, Herr.« Die Stimme des Mädchens zitterte und der Becher klapperte auf dem Tablett gegen den Krug.
»Bring ihn her, Misty.« Die Stimme des Mannes klirrte wie die große Schneide in Dylerts Sägemühle, kurz bevor sie gebrochen war.
Cerryl spürte einen weiteren, mehr als vier Ellen großen, breitschultrigen Mann, der rechts neben der Tür stand. Sogleich schlich der junge Magier nach links, um sich etwas von dem riesigen Wächter zu entfernen, bis er sich an die vertäfelte Wand neben der Tür drücken konnte. Hoffentlich würden seine Schilde im trüben Licht ausreichen.
Das Zimmermädchen stellte das Tablett neben der Schale mit dem Obst ab und richtete sich auf.
Der Fürst schenkte sich ein und trank einen Schluck. »Konntest du ihn nicht heißer machen?«
»Er hat beinahe gekocht, Ser, und ich bin gekommen, so schnell ich konnte.«
»Du kannst jetzt gehen, Misty.« Auf einmal klang Ferobars Stimme sehr müde.
Der große Wächter zog den Riegel gerade lange genug zurück, dass das Zimmermädchen den Raum verlassen konnte. Dann legte er den Riegel sofort wieder vor.
Cerryl untersuchte das Zimmer mit seinen Ordnungs- und Chaos-Sinnen, um sich möglichst genau zu orientieren. Die Decke war etwa fünf Ellen hoch, das Zimmer war nicht mehr als fünfzehn Ellen lang und zehn Ellen breit. Die Wand gegenüber dem Kamin war mit Bücherregalen ausgestattet, aber höchstens die Hälfte der Bretter war mit Büchern besetzt. Es roch ein wenig nach Schimmel, seine Nase juckte.
»Die glauben wohl, ich wäre eine Marionette der Händler in Renklaar, ha!«
Cerryl fuhr auf, als er die Bemerkung hörte, die an seine Adresse gerichtet schien, aber dann erkannte er, dass Ferobar sich auf dem Sofa umgedreht hatte und mit dem riesigen Wächter sprach, der neben der Tür stand.
»Aber ich bin keine Marionette. Ich bin der
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