Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Nebengebäude fange ich an zu schluchzen, ich kann gar nicht mehr aufhören. Verzweifelt streiche ich mir über den Bauch. Es muss etwas geschehen.
26
Kleine Anzündlichter herzustellen ist die härteste und langweiligste Arbeit. Nun, da ich flink und geschickter darin geworden bin, fülle ich sie in Bündeln von siebenunddreißig Hülsen auf einmal. Es sieht aus wie eine sechsseitige Honigwabe aus Röhrchen, die alle mit der Mündung Richtung Decke zeigen. Die Luft draußen ist blau vom Rauch und dem feinen Regen im Wind. Im Schornstein ist ein pfeifendes, zischendes Geräusch zu vernehmen, als würde der Wind seinen Mund auf den Schornsteinaufsatz auf dem Dach drücken und hineinpusten.
In der ganzen Werkstatt riecht es nach Mr. Blacklocks Experimenten, und er starrt unverwandt in ein Gefäß, das an einem Glas befestigt ist, das wiederum über ein Röhrchen mit einer rauchenden Kohlepfanne verbunden ist. »Ich möchte dir etwas zeigen«, sagt er in einem merkwürdig erstickten Ton. Ich erkenne den starken Geruch wieder, der auch an dem Tag entstanden war, als die Luft aus dem Königswasser der Blüte die Farbe entzogen hatte.
»Was ist das für ein schwarzes Pulver?«, frage ich und deute auf den geöffneten Topf neben dem Röhrchen, aber er antwortet nicht.
»Was ist in diesem Gefäß, Mr. Blacklock?« Ich spüre, wie mir vor Aufregung die Kehle eng wird. Es liegt nicht nur an den gelben Dämpfen, die gerade austreten.
»Halte dich im Moment noch fern, Agnes Trussel! Binnen einer Stunde werde ich dir etwas zeigen, von dem ich glaube, dass es unser Leben für immer verändern wird«, sagt er heiser. »Es ist mir jetzt zum dritten Mal gelungen, und ich bin zuversichtlich, dass meine Entdeckung kein Zufall ist.«
* * *
Später, als der Gestank endlich aus dem Raum gezogen ist, bringt er mir ein Töpfchen.
»Sieh dir das an«, sagt er. »Sieh dir diese funkelnden kleinen Kristalle an.« Seine Hand zittert.
»Was ist das, Sir?«, frage ich.
»Ich weiß es nicht!«, erwidert er lachend. Sein Gesicht ist wie verwandelt. »Ich werde diese Substanz …«, sagt er, »… Vitalstoff nennen.«
»Und macht es …?«
Er sieht mich an.
»Ich habe angefangen, mit diesem Vitalstoff zu experimentieren. Er scheint als Hilfsmittel oder Bindeglied zu wirken und die Farben aus den Substanzen zu locken, während sie verbrennen.«
»Wie das, Sir?«
»Ich weiß es noch nicht.« Er hustet. »Die Säure hat die Luft aus dem Salz gezogen, und dann habe ich es in Kristallform zurückgewonnen. Die Substanz ist anscheinend leicht entflammbar. Fügt man sie statt Salpeter dem Schwarzpulver hinzu, brennt sie mit erstaunlicher Heftigkeit. Es ist wichtig. Ich glaube, sie ist der Schlüssel zu meinen Bemühungen. Ich weiß noch nicht, ob sie ausreichend kontrolliert werden kann, um sie in der Pyrotechnik einzusetzen, aber ich habe die Absicht, genau das herauszufinden.«
»Ist es sicher, sie einzusetzen?«, will ich wissen. Er schüttelt den Kopf.
»Bei meinen Experimenten habe ich festgestellt, dass die Substanz instabil und gefährlich ist. Sie kann sich von selbst entzünden, und zwar durch Reibung, Erschütterung oder unkontrollierte Sonneneinstrahlung. Es kann unvermittelt von einem ruhigen Zustand in heftige Aktion übergehen.«
»Wie eine Schlange!«, sage ich und denke wieder an die braunen Kreuzottern, die in den Downs Sonne tanken. Sie liegen im Gras wie in Trance. Aber wenn man zufällig auf sie stößt und sie aufstört, können sie sich ganz plötzlich aufbäumen und ihren giftigen Biss anbringen. Mrs. Porters jüngste Tochter Sarah wurde von einer Kreuzotter gebissen und hat die zweite Nacht nicht überlebt, obwohl sie Kreuzotternfett als Heilmittel einsetzten und der Pfarrer für sie betete.
»Die Substanz ist unberechenbar«, betont er. »Wenn sie mit Schwefel in Berührung kommt, kann sie ohne Vorwarnung heftig reagieren. Daher ist es keine einfache Aufgabe, genaue Rezepturen zu finden. Dieser Stoff ist hochgradig explosiv«, warnt Mr. Blacklock. »Man darf niemals darauf schlagen. Kein Körnchen davon darf versehentlich in den Mörser gelangen, wenn eine Mischung zerkleinert wird. Er darf auf keinen Fall der Sonnenwärme ausgesetzt werden.« Mr. Blacklock zieht an seinem Halstuch, um es zu lockern. Dabei sehe ich seinen Hals, ich kann es nicht verhindern. Wieder bin ich erstaunt, wie jung seine Haut aussieht. Sie ist glatt und weich unter den dunklen Bartstoppeln an seinem Kinn. Rasch wende ich den
Weitere Kostenlose Bücher