Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Blick ab. »Natürlich sollte mit den meisten Formeln in der Pyrotechnik mit der gebotenen Vorsicht umgegangen werden«, fügt er hinzu. »Aber sobald diese neue Substanz im Spiel ist, die ich geschaffen habe, ist Respekt angebracht, der Furcht nahekommt.«
Wir hören die Kirchenuhr schlagen.
»Und wie …?«
»Es ist Mittag. Lass uns zum Essen gehen.«
27
Die Lösung steht kurz bevor, auch wenn ich sie noch nicht erkennen kann. Wenn man einen stillen Teich betrachtet, an dessen Ufer sich Schwertlilien, Gras-Sternmieren und Pastinaken im Wasser spiegeln, sieht man bisweilen eine Bewegung, eine Störung, die nur die Oberfläche kräuselt. Man weiß, dass sich ein Fisch unter dem Wasserspiegel befindet, eine Forelle, ein Barsch oder eine Schleie vielleicht, der seinen glitschigen Körper durch das Wasser bewegt. Außer den flüchtigen kleinen Wellen ist nichts zu sehen. Man kennt die Zeichen und die Hinweise, und das ist genug. Man muss etwas nicht sehen, um seine Anwesenheit zu spüren.
Das sage ich mir immer wieder.
Mr. Blacklock zählt meinen Lohn ab. Wie viele Wochen wird es noch dauern, bevor er das nicht mehr tut und mich stattdessen hinauswirft? Ich bin jetzt im achten Monat und komme allmählich zur Vernunft. Ich spüre eine innere Unruhe, die so stark ist, dass ich beinahe ein Rauschen in den Ohren höre.
»Du musst im Laden des Apothekers neue Vorrichtungen abholen«, sagt Mr. Blacklock. »Ich treffe mich mit Mr. Torré, um seinen Bedarf für Marleybone im kommenden Monat zu besprechen, und kann nicht selbst gehen. Du kennst ja Mr. Jennets Neigung, es mit der Ehrlichkeit nicht ganz so genau zu nehmen. Halte die Augen offen, wenn du dort bist!«
Ich nicke. Und ich selbst habe noch etwas auf dem Kräutermarkt zu erledigen, denke ich, aber darüber sage ich kein Wort.
»Ich brauche neue Schälchen.« Mr. Blacklock schreibt die Bestellung auf. »Ich habe so viele zerbrochen. Einen neuen Glaskolben. Ein wenig Salpeter und Mangan. Einige saubere Fidibusse aus Holz, weil ich keine Zeit habe, mir selbst welche zu schneiden.« In diesem Haushalt sind die Holzfidibusse in Schwefel getaucht, um sie in der Zunderbüchse anzuzünden. Mary Spurren benutzt sie nicht gerne.
»Teufelsfeuer«, sagt sie immer und presst verärgert die blassen Lippen zusammen.
Die Haustür schließt sich hinter mir. Als ich draußen auf der Straße stehe und mein Tuch enger um mich ziehe, habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden, und werfe unruhig einen flüchtigen Blick nach oben. Hinter den Fenstern ist nichts zu sehen, keine Bewegung, kein weißes Gesicht, das hinter einem Vorhang zu mir hinuntersieht. Dann entdecke ich einen Roten Milan, der hoch oben über der Stadt seine Kreise zieht und nach Beute Ausschau hält. Sein gegabelter Schwanz zeichnet sich gegen den Himmel ab.
Im Laden reißt mir Mr. Jennet beinahe die Bestellung aus der Hand und gibt ein missbilligendes »Ach was!« von sich. Seine riesige Perücke bebt, als er sich hinter die Theke bückt, um die gewünschten Gegenstände hervorzuholen.
»Was hat er denn vor? Er braucht in letzter Zeit so viel«, grummelt er. »Das Geschäft muss sich ja lohnen, oder? Die Welt ist verrückt geworden, würde ich sagen.« Er wickelt den Glaskolben ein und schaut wieder auf die Liste. »Und was will er mit so viel Mangan anfangen? Ein seltsamer Einkauf für einen Feuerwerker.«
»Hart arbeiten, Mr. Jennet«, antworte ich und beobachte ihn.
Als ich im Laden des Apothekers fertig bin, kehre ich mit meinem schweren Korb nicht gleich nach Hause zurück. Auf dem Kräutermarkt in der Lamb’s Conduit Street kaufe ich ein großes Bündel Salbei. Weil ich mir sicher bin, dass die dünne Marktfrau meinen Einkauf merkwürdig findet, kaufe ich auch noch Petersilie. Ihr Kind schläft in einer Kiste neben ihr. Ich sehe nicht hin.
Danach gehe ich in eine Seitenstraße und werfe die Petersilie in die Gosse, als wäre ich verrückt. Sie ist so frisch und grün. Der Salbei, den ich behalte, ist sehr weich. Die zarten, leicht violetten Blätter sind wie Haut oder weiches Fell. Sie erwecken nicht den Eindruck, als könnten sie ein Kind umbringen. Ich verberge den Salbei unter meinem Tuch und gehe zum Haus zurück. Die Kräuter drücken sich gegen meinen Körper, und ich bin von ihrem bitteren, pfeffrigen Geruch eingehüllt.
Unterwegs sehe ich überraschend ein paar Viehtreiber, die eine Herde struppiger Schafe in Richtung Lincoln’s Inn Fields treiben. Als die Tiere an mir
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