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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Ladenbesitzern besorgen«, erklärt Mr. Blacklock und hustet heftig. »Außerdem wirst du meine Werkzeuge und Geräte vorbereiten und genau beobachten, was ich tue, damit du mir bald zur Hand gehen kannst.« Etwas an der Art, wie er spricht, bringt mich auf den Gedanken, dass er vielleicht aus dem Ausland kommt, aber ich bin mir nicht sicher. In dem dunklen Hausflur kann ich eine vertäfelte Wand mit Wandteppichen erkennen. Es ist ein altes Haus, vielleicht genauso alt wie das Gutshaus in Steyning. Wir betreten eine schmutzige, unaufgeräumte Küche.
    Als ich neben ihm stehe, kommt er mir noch größer vor. Mit seinem hohen Wuchs und seiner starren Haltung erinnert er mich an einen Baum im Winter.
    »Setz dich«, sagt er und deutet mit dem Finger auf einen Stuhl. Als ich gehorche, erhebt sich eine Schar verschlafener Fliegen aus einem Topf auf dem Tisch. Eine Öllampe wirft einen Lichtkreis auf die Seiten eines Buches, das aufgeschlagen dort liegt. Ein schwaches, nicht geschürtes Feuer verglüht allmählich auf dem Gitterrost. An einer Wand steht eine hohe Anrichte mit Tellern und Töpfen auf den Regalen. Ich blinzle ins Lampenlicht und sehe mich um.
    »Ich koche nur einfache Gerichte, Sir«, sage ich hastig, als ich den Herd sehe, der riesig und kompliziert aussieht. »Ich kann einen guten Eintopf zubereiten und Pasteten backen und Eier in der Holzasche des Herdes garen.« Ich blicke zweifelnd auf die rot glühende Asche, während ich das sage, fahre aber fort: »Ich kann Butter machen, pressen und salzen. Ich kann wohlschmeckendes Brot backen und einen Topf Haferbrei kochen, wenn Sie möchten.« Aber Mr. Blacklock unterbricht mich, indem er ungeduldig die Hand hebt. Die Verbrennung an seiner Wange ist eine offene Wunde, die im Licht feucht glänzt. Sein Schatten auf der Wand hinter ihm ist riesig.
    »Nun ja, das ist gut, aber wir brauchen momentan keine Liste von Tugenden! Ich kann Geplapper nicht ausstehen«, betont er kurz angebunden. »Ich will nicht, dass dein geistiger Abfall meinen Verstand belastet. Übermäßige Stimmaktivität in der Kehle sorgt dafür, dass der Magen durch zu viel Luft und Unsinn aufgebläht wird. Und es bereitet dem Ohr des Zuhörers Unwohlsein.« Er beugt sich vor und fuchtelt mit einem geschwärzten Finger in der Luft herum. »Klarheit! Genauigkeit! Betrachte deine Worte als Schlüssel für das Schlüsselloch der Bedeutung. Benutze die Wörter mit Präzision. Mit diesem Schlüssel sollte sich das Ziel dann zügig und perfekt erreichen lassen. Wohlformulierte Sätze sind im günstigsten Fall eine Erlösung von der Ungenauigkeit. Sie sind Erklärung. Vorbereitung. Sonst nichts.« Sein Blick ist streng.
    Ich sehe ihn verwirrt an.
    »Sir«, sage ich und presse meine Lippen sofort fest zusammen. Ich wage vor lauter Nervosität nicht einmal, sie mit der Zunge zu befeuchten. Ich habe begriffen, dass er einen Menschen mit einem ausgeglichenen Naturell braucht, der sich nicht aufregt. Ich gelobe mir im Stillen, genau das zu sein.
    Er hebt einen Bottich neben dem Herd hoch und schüttet ein paar Stücke Steinkohle auf die Glut, und das Feuer flackert zischend auf. Ich habe schon einmal Kohle gesehen, aber noch nie verbrannt oder darauf gekocht. Vielleicht ist es die Kohle, die den seltsam beißenden Geruch verursacht. Ich werfe einen Blick auf das Buch auf dem Tisch. Ich kann dunkle Bilder und Wörter auf den gelblichen Seiten erkennen, aber selbst wenn ich voller Aufmerksamkeit die Augen zusammenkneife, ergeben die wimmelnden Buchstaben überhaupt keinen Sinn.
    »Italienisch.« Plötzlich ragt er neben mir auf und zeigt auf die Seite. Seine Hände sind biegsam und knochig. Er hat lange Finger, aber mit Schrecken entdecke ich, dass sich an der rechten Hand nur ein Stumpf an der Stelle befindet, an der der Zeigefinger sein sollte. Auf einmal beginnt er laut und mit Heftigkeit zu lesen: »… allein diese Energie lässt Metalle sich ausdehnen und belebt halb tote Körper wieder. Halb tot!«, schnaubt er. »Vielleicht.«
    Ich blicke auf, und seine schwarzen Augen sind auf mich gerichtet. Er hat einen intensiven, forschenden Blick, vor dem man sich nur schwer verstecken kann.
    »Wie heißt du?«, fragt er unvermittelt.
    »Agnes, Sir, Agnes Trussel.«
    »Alle stellen Behauptungen auf, Agnes Trussel. Die Welt ist überflutet von Behauptungen über Erkenntnisse.« Er lächelt grimmig. »Wissen ist wie die Zeit – es kämpft sich vorwärts, muss aber über die Schulter zurückblicken, um sich zu

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