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Die Farm am Eukalyptushain

Die Farm am Eukalyptushain

Titel: Die Farm am Eukalyptushain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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gerollt waren. Sie dachte an die Tänzerin mit dem Strassschmuck und den langen Beinen, die so lebenslustig gewesen war und unterhaltsame und unanständige Geschichten erzählt hatte. An die dunklen Zeiten wollte sie nicht denken – an die Zeiten voller Armut und Ungerechtigkeit, als das Leben ein Kampf gewesen war und sie manchmal nicht mehr gewusst hatten, wie es weitergehen sollte. Poppy hatte das alles überwunden; ihre Charakterstärke und ihre Lebenslust hatten ihr den Willen gegeben, lange genug zu überleben, um ihre Enkelkinder gesund und wohlbehalten aufwachsen zu sehen. Es war ein machtvolles Vermächtnis, das bei dem kleinen Connor schon jetzt zutage trat.

    Als Connor Billy Birdsong in den Busch folgte, war er froh, dass es dunkel war, denn in der Nacht sah man seine Tränen nicht. Die Trauer um seine Großmutter lastete wie ein schwerer Stein auf seiner Brust, und er wusste nicht, wie er und Rosa ohne sie zurechtkommen sollten. Sie war immer da gewesen, hatte sie beschützt und geliebt, selbst in finstersten Zeiten.
    »Komm mit«, sagte Billy in seinem singenden Tonfall. »Folgen Spuren der Ahnen in das Land des Never-Never.«
    Connor ließ sich von der sanften Stimme führen. Er kannte den alten Aborigine seit seiner frühen Kindheit. Zu gern hatte er seinen Geschichten gelauscht und war mit ihm durch den Busch gestreift, wann immer Granny es ihm erlaubt hatte. Billy war sein Held und Lehrer, und eines Tages würde er hoffentlich genauso viel über dieses große, weite Land und seine Pflanzen und Tiere wissen wie Billy.
    Die Farm lag weit hinter ihnen. Inzwischen hatten sie die Pferde zurückgelassen und bewegten sich wie zwei Schatten durch das hohe Gras zwischen den Bäumen. Auch der leichte Wind war wie eine Stimme, die im Dunklen flüsterte, im Laubwerk seufzte und das Gras rascheln ließ. Connor folgte dem Aborigine, der mit sicherem Schritt zwischen den Bäumen hindurch auf eine Ebene zuwanderte. Er hörte nichts als den Sirenengesang dieses Mannes,und er sah nur seinen dunklen Schatten vor dem Nachthimmel, als sie auf eine Lichtung hinaustraten.
    Billy blieb stehen und wartete, eine hohe, schmale Silhouette vor dem Sternenhimmel. Das Haar umgab seinen Kopf wie ein Heiligenschein. Er streckte den Arm aus. »Komm her, Connor«, sang er. »Sitzen unter den Sternen, und ich erzähle dir von Traumzeit und warum Tod nicht für Tränen.« In einer anmutig fließenden Bewegung setzte er sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden.
    Connor ließ sich neben ihm nieder. Er fragte sich, was für Worte Billy finden würde, um seinen Schmerz zu lindern.
    Billy begann zu sprechen, und mit eindringlicher, hypnotisierender Stimme erzählte er Connor von der letzten Reise in den Himmel. »Poppy hat starken Geist«, sagte er. »Macht gute Reise in das Land des Himmels.« Er warf eine Hand voll Gras in die Luft, und sie sahen zu, wie der Wind es davontrug. »Wie Grashalme wir hergeweht von Sonnengöttin, damit wir beschützen Mutter Erde. Wir säen neue Generationen und werden alt, und Sonnengöttin ruft uns nach Hause. Sie singt, und wir können unsere Ohren nicht verschließen – es ist Zeit zum Ruhen.«
    Connor schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über die Nase.
    Billy lächelte, und seine Zähne leuchteten im Mondlicht. »Deine Tränen nähren die Saat, die Poppy gesät«, sagte er. »Sie bringen Leben den Geistern, die warten in der Erde, dass sie geboren werden.« Seine Stimme wurde leise. »Ihre Zeit vorbei, aber ihr Geist immer bei dir.«
    Connor sah ihn tränenblind an. Das Herz tat ihm weh.
    »Sei nicht traurig«, sagte Billy. »Sie hinaufgefahren im Geisterkanu, und wenn du genau hinschaust, du siehst die Segel auf Große Weiße Straße.« Er hob den knochigen Arm und deutete zum Himmel.
    Connor wischte sich die Tränen ab und schaute hinauf. Dergewaltige Himmel umgab ihn mit solcher Pracht, dass es fast war, als könne er die Krümmung der Erde sehen. Und dort, zwischen Millionen von Sternen, war die Milchstraße, eine breite Bahn von unzähligen Lichtpunkten. Sie reichte von Horizont zu Horizont, ein riesiger, funkelnder Bogen, und plötzlich war ihm, als sehe er einen einzelnen Stern, der langsam über diese himmlische Straße wanderte.
    »Geisterkanu bringt sie zum Land des Mondgottes«, sagte Billy leise. »Dort sie verliert Erdengestalt, streift ab wie Rinde von Eukalyptus, und dann fliegt hoch und hoch über Himmel und wird Stern. Und Stern wird immer leuchten bei dir und allen, die sie

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