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Die Farm am Eukalyptushain

Die Farm am Eukalyptushain

Titel: Die Farm am Eukalyptushain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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starrte ihre Mutter entsetzt an. Es war, als wolle Velda sie zum Verkauf anbieten.
    »Sieh mich nicht so an«, fuhr ihre Mutter sie an. »Ich habe nicht all meine Zeit auf deinen Gesangsunterricht verwandt, damit am Ende nichts dabei herauskommt.« Sie zog den Träger über Catrionas schlanker Schulter zurecht und nickte zufrieden. »Komm jetzt! Wir dürfen ihn nicht warten lassen.«
    Catriona hatte einen trockenen Mund, als Velda sie bei der Hand nahm und durch den langen Korridor zur Lounge zog. Seit ihrem letzten Bühnenauftritt waren Jahre vergangen, und auch wenn sie jeden Tag geübt hatte, war sie nun so nervös, dass ihr fast übel wurde. Sie war sicher, dass sie keinen Ton hervorbringen würde.
    Die Lounge nahm das gesamte Untergeschoss des Hotels ein. Sie war in luxuriösem Schwarzweiß gehalten, und hier und da leuchteten Bänke und Stuhlpolster in dunklem Scharlachrot. Erhellt von einem riesigen Kronleuchter, dessen Licht von ungezählten Spiegeln reflektiert wurde, bot sie eine strahlende Bühne, wie Catriona sie noch nie gesehen hatte.
    Der Boden glänzte, die kleinen Tische und vergoldeten Stühle sahen einladend aus, und auf den samtgepolsterten Bänken ringsum an den Wänden konnte jeder, der es wünschte, sich ungestört unterhalten. Ein Flügel stand am Rande des kleinen Podiums, dessen Hintergrund ein schwarzer, mit kleinen Kristallen bestickter Samtvorhang war, der den Eindruck eines Nachthimmels erweckte.
    Catriona blieb im Eingang stehen, als sie den Mann am Klavier und die beiden Männer erblickte, die aufgestanden waren, um sie zu begrüßen. Sie konnte das nicht. Sie war zu jung, zu unerfahren, und sie hatte zu viel Angst. Am liebsten wäre sie weggelaufen und hätte sich im Labyrinth der Korridore versteckt. Aber es war zu spät. Mr Thomas schüttelte ihrer Mutter die Hand und stellte seinen Freund vor. Seine Stimme schien aus den Tiefen des Meeres zu ihr zu dringen, gedämpft, unverständlich und monoton.
    Sie merkte, dass der zweite Mann sie aufmerksam betrachtete, und als sie sein Gesicht sah, ließ ihre Angst nach. Er hatte freundliche braune Augen und aschblondes Haar, und sein Lächeln war ermutigend.
    »Peter Keary«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.«
    Catriona lächelte zaghaft. Er war gut aussehend, aber alt – mindestens dreißig. Was mochte er von ihr erwarten?
    »Und wie alt sind Sie, Catriona?«, fragte er.
    »Achtzehn«, erklärte Velda hastig. »Komm, Catriona. Wir haben die Herren lange genug warten lassen.«
    Bevor Catriona gegen die Lüge protestieren konnte, schob Velda sie über die Tanzfläche zum Flügel, holte einige Notenblätter hervor und gab dem Pianisten ein paar Anweisungen. Offensichtlich hatte sie die ganze Sache schon seit einer Weile geplant – die Arie aus La Bohème hatte Catriona seit Wochen üben müssen. Sie sah sich um. Mr Keary und Mr Thomas saßen auf einer Bank. Zigarrenrauch hing über ihnen, und sie sprachen leise miteinander. »Ich kann hier keine Oper singen«, flüsterte sie panisch.
    »Du kannst, und du wirst!«, zischte ihre Mutter.
    »Aber ich bin erst fünfzehn«, protestierte Catriona. »Ich darf noch gar nicht in ein solches Lokal.«
    »Wer hat gesagt, dass du in einer Cocktailbar auftreten sollst?« Veldas Finger spannten sich um ihren Arm. »Du sollst Mr Kearyvorsingen. Er führt die beste Theateragentur in der Stadt.« Ihre Wangen waren rot vor Aufregung. »Jetzt geh auf die Bühne und zeig ihm, was du kannst.«
    Mit einem kräftigen Stoß ins Kreuz schob sie Catriona voran, und dann stand diese starr vor Angst im grellen Licht der Bühne. Aber als die ersten Takte der Einleitung zu der wunderschönen Arie erklangen, verflog ihre Angst. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Musik, und als sie zu singen begann, entrückte das Lied sie in die Welt der tragischen Mimi und ihres Liebhabers, des Dichters Rodolfo.
    Als die letzten Töne verklungen waren, trat Catriona vom Bühnenrand zurück und senkte das Kinn auf die Brust. Die traurige, anrührende Geschichte des tragischen Liebespaars und die Leidenschaft, die nötig war, um die Arie zu singen, hallten tief in ihrem Herzen wider. Aber sie war auch erschöpft. Ob ihr Vortrag gut genug gewesen war?
    Es blieb still, und schließlich blickte sie auf. So schlecht konnte es doch nicht gewesen sein, oder? Sie wollte von der Bühne fliehen, als Peter Keary sich langsam erhob. Mit ungläubigem Staunen sah sie die Tränen auf seinen

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