Die Farm
werden, Luke, ein viel besseres als unser jetziges.« Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der Felder, auf denen die Baumwolle im Wasser versank.
Ich dachte an meine Cousins in Memphis, die Kinder der Schwestern meines Vaters. Sie kamen nur selten nach Black Oak, zu Beerdigungen und manchmal an Thanksgiving, und das war mir nur recht, weil sie Stadtkinder waren mit hübscheren Kleidern und schnelleren Zungen. Ich mochte sie nicht besonders, und gleichzeitig beneidete ich sie. Sie waren weder unhöflich noch hochnäsig, nur so anders, dass ich mich in ihrer Gegenwart unbehaglich fühlte. In diesem Augenblick beschloss ich, dass ich mich nie, unter keinen Umständen, verhalten würde, als wäre ich etwas Besseres, nur weil ich in Memphis oder Little Rock lebte.
»Ich habe ein Geheimnis, Luke«, sagte meine Mutter.
Nicht noch eins. Mein gequälter Geist ertrug nicht noch ein Geheimnis. »Was?«
»Ich werde ein Baby bekommen«, sagte sie und lächelte.
Auch ich lächelte. Mir gefiel es, das einzige Kind zu sein, aber eigentlich wollte ich einen Spielgefährten.
»Wirklich?«
»Ja. Nächsten Sommer.«
»Wird es ein Junge?«
»Ich werd’s versuchen, aber ich kann’s nicht versprechen.«
»Wenn du eins kriegst, hätte ich gern einen kleinen Bruder.«
»Freust du dich?«
»Ja, Ma’am. Weiß es Daddy?«
»O ja, er weiß Bescheid.«
»Freut er sich auch?«
»Sehr sogar.«
»Das ist gut.« Ich brauchte eine Weile, um diese Nachricht zu verdauen, aber von Anfang an war mir klar, dass es eine gute Sache war. Alle meine Freunde hatten Geschwister.
Dann fiel mir etwas ein, was mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Da wir schon über Babys sprachen, wurde ich überwältigt von dem Bedürfnis, eins meiner Geheimnisse abzuladen. Es schien mir jetzt ziemlich harmlos, und außerdem war es alt. So viel war passiert, seit Tally und ich zum Haus der Latchers geschlichen waren, dass mir die Episode jetzt irgendwie komisch erschien.
»Ich weiß, wie Babys geboren werden«, sagte ich ein bisschen zögernd.
»Wirklich?«
»Ja, Ma’am.«
»Wie kommt das?«
»Kannst du auch ein Geheimnis für dich behalten?«
»Natürlich.«
Ich begann zu erzählen, schob für alles, was mich in Schwierigkeiten bringen könnte, überwiegend Tally die Schuld in die Schuhe. Sie hatte es geplant. Sie hatte mich überredet, mitzukommen. Sie hatte mich herausgefordert. Sie hatte dies getan und das gemacht. Als meiner Mutter klar wurde, worauf die Sache hinauslief, begann ihr Blick zu tanzen und sie sagte immer wieder: »Nein, Luke, das darf nicht wahr sein!« Ich hatte sie geködert. Ich schmückte da und dort aus, um die Geschichte voranzutreiben und Spannung aufzubauen, aber meistens hielt ich mich an die Tatsachen. Sie hörte aufmerksam zu.
»Du hast mich im Fenster gesehen?«, fragte sie ungläubig. »Ja, Ma’am. Und auch Gran und Mrs Latcher.«
»Hast du Libby gesehen?«
»Nein, Ma’am, aber wir haben sie gehört. Tut es immer so weh?«
»Nicht immer. Erzähl weiter.«
Ich ließ kein Detail aus. Als Tally und ich zur Farm zu-rückrannten, verfolgt von den Scheinwerfern, fasste sie mich so fest am Ellbogen, dass sie ihn beinahe gebrochen hätte. »Und wir hatten keine Ahnung!«, sagte sie.
»Natürlich nicht. Ich hab’s gerade noch vor euch ins Haus geschafft. Pappy hat geschnarcht, und ich hatte Angst, dass ihr nach mir sehen und merken würdet, dass ich schmutzig war und geschwitzt habe.«
»Wir waren zu müde.«
»Das war gut. Ich hab ungefähr zwei Stunden geschlafen, dann hat Pappy mich geweckt. Nie in meinem Leben war ich so müde.«
»Luke, ich kann nicht glauben, dass du das getan hast.« Sie wollte mich ausschelten, war aber zu sehr an der Geschichte interessiert.
»Es hat Spaß gemacht.«
»Das hättest du nicht tun sollen.«
»Tally hat mich angestiftet.«
»Schieb die Schuld nicht auf Tally.«
»Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich es nicht gemacht.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr beide das getan habt«, sagte sie, aber sie war von meiner Geschichte beeindruckt. Sie grinste und schüttelte verwundert den Kopf.
»Wie oft seid ihr nachts durch die Gegend gezogen?«
»Ich glaube nur das eine Mal.«
»Du mochtest Tally, nicht wahr?«
»Ja, Ma’am. Sie war meine Freundin.«
»Hoffentlich ist sie glücklich.«
»Das hoffe ich auch.« Ich vermisste sie, gestand es aber nur ungern ein. »Mom, glaubst du, dass wir Tally oben im Norden sehen werden?«
Sie lächelte und sagte:
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