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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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mir
leichter, wenn es ohne die religiöse Formel geschieht. «
    »Sie meinen«, sagte Henrici lächelnd,
»Mensch zu Mensch, wie man das nennt.«
    »Es geht dabei schon«, sagte Panezza,
»um eine Gewissensfrage, von der meine ganze weitere Existenz abhängt...« Er
schaute unter sich, mit angestrengter Stirn — in der Bemühung, den richtigen
Anfang zu finden. »Sie müssen verzeihen«, sagte er dann, »wenn ich hier Dinge
erwähne, die Ihnen fremd und vermutlich zuwider sind...« Henrici machte eine
leise Handbewegung, die andeutete, daß ihm nichts, was ein Mensch sagen könne,
fremd sei. »Als die Therese«, begann Panezza, ein wenig unbeholfen und
stockend, »die Therese Bäumler meine ich, in unser Haus kam — da meine Frau den
kleinen Jeanmarie nicht stillen konnte, oder wollte — , war sie ein junges,
kräftiges, gesundes Weibsbild — sie war nicht schön oder hübsch, aber sie
hatte, schon damals, etwas Fanatisches und Maßloses, etwas — Besessenes fast,
das mich ganz unvernünftig anzog und lockte... Man kann sich das wohl heute
nicht mehr vorstellen«, sagte er mit einer hilflos verlegenen Geste.
    »Das kann man sich«, sagte Henrici
gelassen, »wohl bei vielen Frauen nach fünfundzwanzig Jahren nicht mehr.«
    Panezza schien durch diese weitläufige
Bemerkung sichtlich erleichtert. »Es war nicht nur das«, fuhr er, weniger
verlegen, fort, »die Burschen waren wie toll hinter ihr her — «
    Er zögerte eine Sekunde, in der sich
eine dichte Fülle von Bildern und Eindrücken aus seinem Gedächtnis hob, ganz
deutlich sah und spürte er sie, wie sie damals war, ohne daß ihre jetzige
Gestalt sich dazwischen schob — mit dicken, feuchten, offenen Lippen über sehr
weißen, breiten, doch etwas spitzigen Zähnen, ihre Augen hatten immer dieses
heiße Glitzern, das unheimlich war, aus Trotz und Verlangen gemischt, sie
pflegte, beim Waschen oder Bügeln, die Volkslieder der Gegend, die Lieder der
Dienstmädchen und Bauernmägde, mit einer schleppend langgezogenen Stimme zu
singen, so ganz darin vertieft, daß man nicht wußte, ob sie nicht, würde sie
unterbrochen, tot Umfallen müsse — und er dachte, ohne sich’s klarzumachen, an
Stallduft, Euterduft, Heuschoberhitze, frisch aufgepflügte, frisch gemistete
Äcker, vermoosten Wald- oder Moorboden mit Schlangen und Schnecken und starkem
Pilzgeruch —
    »Ja«, sprach er weiter, »sie hatte
etwas, das fast nicht menschlich war — und grade dadurch von einer
schrecklichen, verrückten Aufreizung — , und wenn man sagen kann, heute, sie
ist eine alte Hexe, so war sie eben damals eine junge Hexe, die — wenn sie
begehrte und liebte — eine diabolische Kraft ausströmte — die Kraft einer
völlig unberechenbaren, ich möchte sagen: vulkanisch ausbruchsfähigen
Weibsnatur...
    Nun«, fuhr er fort, »ich war selbst wie
verrückt, ich besuchte sie nachts in ihrer Kammer, so oft ich es unbemerkt tun
konnte — ich hätte sonst nie etwas Derartiges im eignen Haus getan!«
    Henrici zuckte ein wenig die Achseln,
als ob er sagen wolle, daß er den Unterschied zwischen eignen und fremden
Häusern nicht gar so entscheidend finde.
    »Das war dieselbe Zeit«, sagte Panezza,
»in der mir klar wurde, daß ich mit Clotilde, meiner Frau, eigentlich gar keine
Ehe führte, sie im Grund nie zur Frau gehabt hatte... Sie war die gleiche,
verwöhnt-bequeme, nur mit sich selbst beschäftigte junge Dame geblieben, als
die ich sie aus ihrem elterlichen Patrizierhaus in Meran heimgeführt hatte;
auch die Kinder hatten uns nicht näher gebracht, vielleicht lag das an mir, und
ich bitte Sie«, setzte er eifrig hinzu, »nicht zu denken, daß ich damit irgend
etwas von dem, was ich zu bekennen habe, entschuldigen will...
    Ich glaube«, sprach er nach kurzem
Nachdenken weiter, »daß von meiner Beziehung zur Therese nie etwas bemerkt
wurde, und daß auch später nie ein Verdacht aufkam. Als die Folgen sichtbar
wurden — etwa um die Zeit, als Jeanmarie an die Flasche gewöhnt war und sie
unser Haus wieder verließ — , sprach ich mit dem Bäumler, von dem ihr erstes
Kind stammte. Ich setzte ihm eine anständige Summe und eine Rente aus, falls er
sie heiraten und das neue Kind ehelich anerkennen würde, wobei ich natürlich
meine eigene Vaterschaft nicht zugestand, sondern so tat, als ob ich ernstlich
glaube, sie hätte es in der Zeit mit dem Bäumler gehalten — obwohl ich das
Gegenteil wußte. Ich kam mir dabei sogar ziemlich nobel und großartig vor, wie
wenn jemand wirklich nur

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