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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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befindet sich eine robuste Frauengestalt, die ihren zaudernden Bewegungen nach auch nicht mit sich einig zu sein scheint.
    Es ist Christine. Bei jedem Bruche mit ihrer Herrin ist sie nach Wiesenthal gefahren, um Fräulein Pauline aufzusuchen, die ein wahrer Engel ist und sie stets mit einem Schreiben zurückgeschickt hat, welches mit den Worten übergeben wurde: »Eigentlich sollte ich mich gar nicht mehr um Sie bekümmern, aber weil ich zufällig Jungfer Paulinchen traf und es ihr nicht abschlagen wollte, so bringe ich noch einmal diesen Brief. Es ist aber der allerletzte!«
    Weil sie noch nicht weiß, ob sie sich zur Strenge oder Milde entschließen soll, so tritt sie in das Wartezimmer und nimmt, da dasselbe klein und sehr besetzt ist, an dem Tische Platz, an welchem Christian sitzt.
    »Woher?« fragte dieser nach dem gegenseitigen Gruße, mehr aus Höflichkeit, als eine Unterhaltung, an der ihm ja gar Nichts liegt, anzubahnen.
    »Aus Wiesenberg.«
    »Aus Wiesenberg?« Seine Theilnahme beginnt zu erwachen. »Kennen Sie da vielleicht einen Drachen, welcher Auguste Hildebrandt heißt?«
    Sie zögert vorsichtig mit der Antwort und fragt dann:
    »Woher kommen Sie?«
    »Aus Wiesenburg.«
    »Aus Wiesenburg? Kennen Sie da vielleicht einen andern Drachen, Namens August Hildebrandt?«
    »Das ist mein Herr.«
    »Nicht möglich!« ruft Christine. »Der Wiesenberger Drache ist meine Herrin.«
    »Alle Wetter! Wie heißen Sie?«
    »Christine. Ich bin fast fünfzehn Jahre in dem Dienst. Wie heißen Sie?«
    »Christian, und diene grad ebenso lange bei ihm. Was wollen Sie in Wiesenthal?«
    »Ich bin abgezogen.«
    »Ich auch; es war nicht länger auszuhalten!«
    Die Unterhaltung wird von Minute zu Minute lebhafter, und bald kennt Jedes die traurigen Erfahrungen des Andern. Sie beschließen, sich für heut Gesellschaft zu leisten und wandern mit einander dem Städtchen zu, welches in einiger Entfernung von dem Bahnhofe liegt. Sie besuchen weder den Referendar noch Fräulein Pauline und haben am Abende schon solches Wohlgefallen an einander gefunden, daß sie Arm in Arm die Promenade abspazieren und allerlei angelegentliche Pläne schmieden.
    »Weißt Du was, Christine? Ich hab das ganze Leben hier satt, ich gehe nach Amerika. Gehst Du mit? Wir haben uns Beide ein Sümmchen gespart und hier keine Verwandten und Angehörigen. Hier bleiben wir, was wir sind, drüben aber kommt man rasch vorwärts, und wir können dann auch in den Geldschrank greifen wie unsre beiden Drachen.«
    »Nimmst Du mich denn mit?«
    »Freilich; es paßt ja Niemand besser zusammen als wir.«
    »Als was denn?«
    »Als meine Frau. Willst Du?«
    »Ja,« bringt sie nach einer Pause der schicklichen Verschämung hervor.
    »Abgemacht!« Eine kräftige Umarmung besiegelt den süßen Bund. »Aber ehe wir fortmachen, nehme ich noch Rache.«
    »Ich auch.«
    »Bravo! Wir haben uns genug gefallen lassen und wollen uns nun einmal eine Freude machen. Aber wie?« Nach einem kurzen Nachdenken lacht er auf. »Ich hab’s. Hör’ einmal!«
    Er beginnt, ihr seinen Plan mitzutheilen, wird aber durch einen Aufschrei Christinens unterbrochen.
    »Himmel, rasch auf die Seite!«
    »Warum?«
    »Dort kommt Fräulein Pauline!«
    »Das ist sie? Sapperlot, mit meinem Referendar, und noch dazu Arm in Arm wie wir! Komm hinter die Bäume!«
    Sie glauben, nicht erkannt worden zu sein, haben sich aber geirrt, wie aus den Blicken des Pärchens, dessen Augen ihren hastigen Bewegungen verwundert folgen, zu ersehen ist. Der Mond ist ein zwar langjähriger Vertrauter der Liebenden, hat aber auch seine schwachen Augenblicke, in denen sein Licht das Plaudern nicht lassen kann.
II.
    Am andern Vormittage sitzt der Herr Rentier August Hildebrandt an seinem Geldschranke und – – schreibt keine Nummern. Das ist eine ganz außergewöhnliche Erscheinung, die ihren Grund in dem Verdrusse hat, den ihm die Abwesenheit des Dieners bereitet.
    Wie soll er es anfangen, einen neuen zu bekommen, wenn Christian nicht zurückkehrt? Nach Wiesenburg gehen, nachdem er so viele Jahre sich in der Stadt nicht hatte sehen lassen? Oder – nein, er will sich jetzt nicht weiter sorgen, sondern ruhig abwarten, ob der abtrünnige Diener sich nicht sehen lassen werde. Das Nöthigste ist ja vorhanden und das Uebrige muß sich ja später finden.
    »An dem Allen ist Niemand schuld als sie, wegen der mein Leben ein so einsames geworden ist. Sie mußte wissen, daß ich mir unsre Entzweiung so tief in das Gemüth nehmen würde.«
    Er

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