Die Feinde des Imperators
paarmal aus der Ferne zu Gesicht
bekommen. Er war nichts weiter als ein junger Mann am Beginn seiner
Karriere, und es gab Hunderte solcher Männer. Ich
konnte unmöglich den Überblick über alle behalten.
»Warum war Atia denn da, wenn die beiden Frauen sich
gegenseitig so verabscheuen?«
Sie aß einen
weiteren Löffel Kirschen. »Ich dachte, das hättest
du inzwischen selber erraten.«
»Du bist
wirklich …« Und dann dämmerte es mir.
»Wollte Atia etwa ein Horoskop für Octavius erstellen
lassen?«
»Genau. Und wen
könnte man bei so etwas wohl besser um Rat fragen als
Servilia?«
»Was sollte
Servilia davon abhalten, ihr einen schlechten Rat zu
erteilen?«, fragte ich.
»Das würde
sie vor all diesen Frauen ihres Kreises nicht wagen. Irgendeine
würde es Atia mit Sicherheit brühwarm erzählen. Und
das würde die Petzerin in eine gute Position versetzen, sollte
Octavius Caesars Erbe werden.« Diese Frauen hatten ein ebenso
kompliziertes und durchtriebenes System, Politik zu betreiben, wie
der Senat.
»Also waren bei
eurer Zusammenkunft zwei Frauen anwesend, die Hoffnungen hegen, im
Besitz von Caesars Erben zu sein.«
»Drei«,
korrigierte sie mich. »Vergiss Fulvia
nicht.«
»Ah, ja. Wie
konnte ich sie vergessen?« Marcus Antonius war ein weiterer
Anwärter, der auf das glorreiche Erbe schielte. In Gallien war
er Caesars rechte Hand gewesen und hatte den beeindruckenden Titus
Labienus ersetzt, der sich im Bürgerkrieg gegen Caesar
gestellt hatte. Als Caesar zum Diktator ernannt worden war, hatte
er Antonius zu seinem Magister equitum gemacht, zu seinem
Stellvertreter und Vollstrecker seines Willens. Im
alltäglichen öffentlichen Leben Roms gab sich Antonius
wie ein Charakter aus einer Komödie des Plautus: wie eine
Witzfigur eines Soldaten, der sich in einer prachtvollen
Sänfte durch die Gegend tragen ließ, während Sklaven
seine goldenen Trinkgefäße auf purpurnen Kissen vor ihm
hertrugen wie heilige Kultobjekte. Caesar hatte ihn eine Zeitlang
gezwungen, dieses törichte Benehmen zu unterlassen, doch genau
das vergaß er immer wieder. Trotz seiner vielen Fehler war es
beinahe unmöglich, Antonius nicht zu mögen. Er war ein
Mann, der ewig ein Junge zu bleiben schien. Wir liebten den Jungen
und fürchteten den Mann.
»Wie ich
hörte, haben Antonius und Caesar sich in letzter Zeit
entzweit«, sagte ich. »Caesar wird ihn nicht mit nach
Parthien nehmen.«
»Sie haben sich
auch früher schon entzweit, aber sie haben sich immer wieder
ausgesöhnt«, erwiderte Julia, die die Schale mit den
Kirschen mittlerweile geleert hatte. »Ich weiß nicht,
warum Caesar ihn ständig um sich hat. Die Antonii sind eine
Familie geborener Krimineller.«
»Diese
Beschreibung trifft nahezu auf die gesamte senatorische Klasse
zu«, erinnerte ich sie. »Zum Beispiel auf die
Claudii.«
»Ja, aber die
Antonii sind in ihrer Unverfrorenheit unübertroffen. Bis auf
die Plünderung des Staatsschatzes und die Vergewaltigung der
Vestalinnen haben sie sich alles zuschulden kommen lassen, was man
sich nur zuschulden kommen lassen kann.«
»Was den
Staatsschatz angeht - für den sehe ich schwarz, wenn Caesar
Rom erst einmal verlässt«, teilte ich ihr mit.
»Wie ich gehört habe, soll Antonius Praefectus urbi
werden.«
Sie verdrehte die
Augen in einer dramatischen Geste nach oben. »Dann sollten
wir all unser Hab und Gut aus Rom wegschaffen. Sobald er den
Staatsschatz durchgebracht hat, wird er anfangen, die Häuser
der wohlhabendsten Familien zu plündern. Der Lebensstil,
dem Fulvia und er frönen, erfordert ein großes
Vermögen.«
»Ach, ich
weiß nicht. Ich bin immer gut mit Antonius zurechtgekommen.
Gelegentlich habe ich ihm sogar aus der Klemme
geholfen.«
»Ich habe so ein
Gefühl, als ob jegliche Loyalität, die aufzubringen er
imstande ist, sich mit dem Dahinschwinden seines Geldes
verflüchtigen wird. Wie aus heiterem Himmel wird er sich dann
erinnern, dass er einen alten Groll gegen dich
hegt.«
»Bisher hat er
mir jedenfalls nichts getan, und Caesar wird die Stadt
wahrscheinlich frühestens nächstes Jahr verlassen. Und
bis dahin kann noch eine Menge passieren. Vielleicht haben die
beiden ja ein schwerwiegenderes Zerwürfnis, und Caesar
verbannt Antonius ins Exil. Oder Antonius stirbt, oder Caesar
stirbt, oder irgendein germanischer König, von dem wir noch
nie gehört haben, schmiedet eine große Allianz aller
möglichen Volksstämme und marschiert nach Italia ein. All
das wird die Zukunft
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