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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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endgültigen Weg zu Boden ein leises Rascheln
     von sich.
    Wunschträume von irgendwelchen Geliebten hatten Bill nie geplagt. Selbst bevor sie geheiratet hatten, kurz vor seiner Einschiffung,
     hatte er Clare versprochen, dass er da drüben nichts anstellen werde, für das er sich würde entschuldigen müssen. Sie wussten
     beide, was er meinte. Während also seine Kumpel bei jedem Freigang nichts anderes im Sinn hatten als die Jagd auf Muschis,
     beschied Bill sich mit dem zweitliebsten Zeitvertreib aller GIs: saufen. Das führte eines Abends zu einer erstaunlichen Erkenntnis,
     als nämlich Sammy Lefkowitz einer der dortigen Damen die Hand auf den Hintern legte und einer der Einheimischensich genötigt fühlte, ihre Ehre zu verteidigen. Bill hatte gerade sein drittes Glas koreanischen Whiskeys heruntergekippt,
     als er registrierte, wie ein schreiender Schwachkopf auf ihn zustürmte und dabei mit einer leeren Flasche über dem Kopf herumfuchtelte.
     In diesem Augenblick entdeckte Bill den einzigartigen Genuss der Schlichtheit: in diesem Fall eines schlichten Nasenstübers.
     Der am meisten unterschätzte Schlag. Wenn man an der richtigen Stelle traf, fingen die Augen an zu tränen, das Gesicht schwoll
     an, und die Reaktionsgeschwindigkeit verringerte sich so sehr, dass man den Gegner mit dem nächsten Schlag ausknocken konnte.
     Von da an verbrachte Bill möglichst jeden Freigang mit Sammy Lefkowitz. Er konnte nicht sagen, wieso ihm diese Schlichtheit
     so gefallen hatte. Er konnte sich nicht erklären, warum ihm Schlägereien damals so viel Spaß gemacht hatten. Trotzdem war
     er darüber froh. So hatte er immerhin etwas, woran er zurückdenken konnte, wenn er in seinem Sessel saß und zusah, wie der
     Rauch aus seiner Pfeife aufstieg.
    »Aber Frauen habe ich nie angerührt, Clare.«
    Eins von den wenigen Versprechen, die du gehalten hast, William Warrington.
    Bill hörte die Worte, als säße Clare direkt hier bei ihm im Zimmer – oder besser, als bücke sie sich gerade, um etwas aufzuheben,
     das die Kinder auf dem Fußboden liegengelassen hatten. Clare war immer in Bewegung gewesen, hatte Wäschekörbe geschleppt,
     Kleidung gefaltet, nachgeschenkt, etwas abgewischt oder aufgewischt. Bill fühlte die Glut seines Pfeifenkolbens.
    Eigentlich hatte er eine ganze Menge Versprechen auch gehalten. Es fiel ihm eben nur leichter, sich an die zu erinnern, die
     er nicht gehalten hatte. Zum Beispiel ein paar von den Jobs, die in die Binsen gingen, weil er sich weigerte, den Bossen so
     in den Arsch zu kriechen, wie es ihnen gepasst hätte.
Anstand
hattensie das genannt. Oder seine Beteuerungen, dass er nicht wieder einen über den Durst trinken würde, wenn sie mit Freunden essen
     gingen, obwohl es gar nicht am Alkohol lag, dass es zu lautstarken Streitigkeiten mit jedem kam, der blöd genug war, die Themen
     Politik oder Religion aufzubringen. Und wahrscheinlich hätte er sich auch öfter zu Hause blicken lassen sollen, als die Kinder
     klein waren, aber meistens hatte er eben irgendeinen Deal am Köcheln und musste sich bereithalten, um die Sache in trockene
     Tücher zu bringen, sobald der Kunde soweit war. Manchmal waren die Provisionsschecks riesig, manchmal wusste er aber auch
     nicht, wie er seine Familie durchbringen sollte.
Halt durch
, erklärte er Clare jedes Mal, wenn sie wieder anfing, sich Sorgen wegen des Kontostandes zu machen.
Der nächste Scheck wird enorm.
Manchmal kam es dann so und manchmal auch nicht, aber auf lange Sicht fügte sich alles zum Besten. Ein schönes Haus. Gute
     Schulen. Urlaube mit der Familie.
    »Ich habe es ganz schön spannend gemacht, was?«, rief Bill laut. »Über Langeweile konntest du dich nie beklagen, oder?«
    Vor etwa einem halben Jahr hatte er angefangen, laut mit Clare zu reden. Es gefiel ihm, und er nahm an, dass es ihm auch guttat.
     Ein bisschen die Stimmbänder trainieren. Manchmal vergingen Tage, ohne dass er mit einer Menschenseele sprach – abgesehen
     von den Schimpfwörtern, die er zuweilen Dr. Phil entgegenschleuderte, oder einem Kompliment für die Fernsehrichterin Judy,
     die Königin aller Flintenweiber. Bill lachte, als sich ein Rauchkringel um seinen Kopf legte.
    Da bemerkte er eine Bewegung zu seiner Rechten.
    »Jesus Maria!«, schrie er in Richtung der Gestalt, die draußen vor dem Fenster stand. Er brauchte einen Moment, um zu registrieren,
     dass es sich um irgendeine Göre handelte. Über einer Schulter hing ein Rucksack, wahrscheinlich randvoll

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