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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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in ihrem Kopf.
Kehrtmachen und raus hier!
Aber sie konnte nicht. Obwohl sie wusste, dass sie es musste, konnte sie nicht. Nie wieder würde sie sich über einen Horrorstreifen
     lustig machen, in dem das Opfer wie gelähmt dastand, während das Messer oder Beil oder was auch immer es gleich umbringen
     würde, immer näher kam.
    Der Tankwart grinste wieder. »Wie sieht’s aus?«
    Alles fing sich an zu drehen. Der Tankwart, dessen rechte Hand immer noch auf dem Geldschein lag, griff mit der Linken unter
     die Theke. April hörte einen Reißverschluss.
    »Probier’s doch einfach mal. Du willst doch Wasser, oder?«
    Als sie und Heather ungefähr neun gewesen waren, hatte Heather im Schrank ihres Vaters einen Stapel Pornohefte gefunden. Unter
     den grässlichen Zeitschriften hatte sich auch eine Videokassette befunden, die Heather April eines Nachmittags nach der Schule
     vorgespielt hatte. Den Titel wusste April immer noch:
Back Door Booty
. Ebenso erinnerte sie sich, dass ihr schlecht geworden war, als die Kamera ganz nah auf die namensgebende Handlung gefahren
     war.
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte der Tankwart mit gerötetem Kopf. »Guck mal hier!«
    April taumelte vor und hielt sich an der Theke fest. Die Kotzgranate, die aus ihrem Mund drang, war mindestens so heftig wie
     in
Der Exorzist
. Der Tankwart jaulte auf und machte einen Satz zurück. Er blickte an sich hinab auf das Muster, das plötzlich sein Hemd ruiniert
     hatte. April hingegen sah – während der Tankwart umhersprang auf der Suche nach etwas, womit er sich abwischen konnte – ein
     sagenhaft hässliches Ding, einen angeschwollenen, von dicken Adern überzogenen Wurm, dessenHässlichkeit durch die ekelhaften braunen und grünen Kleckse noch betont wurde.
    Der Drache an seinem Hals wollte sie unbedingt packen. Der Tankwart hatte schon den Mund zu einem weiteren Schrei geöffnet,
     da schoss April ihre zweite Flüssigbombe ab. Sie war nicht mehr so stark wie die erste, aber weil er inzwischen weiter von
     der Theke weg stand, traf sie ihn weiter unten, ein Volltreffer. Er sprang noch weiter zurück und krachte mit dem Rücken gegen
     das Regal mit dem Kaffee und den Zigaretten. April sah, wie die Kanne wackelte und der Kaffee spritzte. Schmerzerfüllt jaulte
     der Tankwart auf.
    »Verschwinde hier!«, schrie er. Bislang war es ihm noch nicht gelungen, wieder in seine Hose zu kommen, und April staunte,
     wie hilflos er plötzlich war, wie schwach er wirkte. Ohne dass der Gedanke ihr bewusst gekommen wäre, war ihr schlagartig
     klar, dass er ihr weder nachkommen noch telefonieren konnte, dass er eigentlich überhaupt nichts machen konnte, solange er
     seinen Scheißpenis nicht wieder untergebracht hatte. Eine Erkenntnis, kam ihr in den Sinn, die es wert war, in eine ihrer
     Listen aufgenommen zu werden – vielleicht sogar in alle außer AIL.
    »Verpiss dich hier!«
    Mit dem Handrücken wischte April sich den Mund ab. Sie sah, dass sie sich weit genug vorgelehnt und ihre eigenen Sachen nicht
     versaut hatte. Auch der Hundert-Dollar-Schein, stellte sie fest, war glimpflich davongekommen, während die beiden Wasserflaschen
     einen schweren Treffer hatten hinnehmen müssen. April nahm das Geld an sich.
    Der Tankwart hüpfte immer noch schreiend durch die Gegend und versuchte, seinen Reißverschluss zuzukriegen.
    April stopfte den Schein in ihre Tasche und machte sich auf den Weg zur Tür. Aber noch auf dem Weg blieb sie stehen,drehte sich um, ging zum Kühlschrank und entnahm ihm zwei saubere Wasserflaschen. Dann marschierte sie hinaus.
    Mit aller Kraft hielt sie sich davon ab, loszurennen. Irgendwie erschien es ihr wichtig, dass sie jetzt nicht rannte, obwohl
     sie nicht hätte sagen können, warum.
    »Immer schön sachte«, ermahnte sie sich leise, so wie es ihr Großvater bei den ersten Fahrstunden immer gemacht hatte. »Langsam
     und gemächlich.«
    Ihr Großvater war offenbar eingeschlafen, denn sein Kopf lehnte an der Scheibe der Beifahrertür, der Mund war zu einem kleinen
     O geöffnet. April staunte, dass er die ganze Sache offenbar einfach verpennt hatte, so als hätte das, was gerade passiert
     war, einen meilenweit zu hörenden Radau verursacht.
    »Grandpa«, rief sie. Er antwortete nicht. Sie rief noch einmal, aber er rührte sich nicht. April versuchte zu erkennen, ob
     seine Brust sich hob und senkte, damit sie wusste, dass er noch atmete. Aber ihr eigener Atem ging so heftig, dass sie ihrem
     ersten Eindruck nicht traute, dem

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