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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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Version war hingegen stets, sie habe den ersten Schritt getan. Ihre männlichen Kollegen
     waren zum Mittagessen oder machten Pause, und Mike baute gerade einen Schaukasten mit Bohrern auf, da hörte er hinter sich
     jemanden. Als er sich umdrehte, war es Colleen. Sie lächelte verlegen und schob sich eine aufgelöste Haarsträhne hinters Ohr.
     Er hoffte, dass das Haar wieder herunterfallen würde.
    »Können Sie mir sagen, wo die Herrentoilette ist?«
    Mike hob lächelnd eine Augenbraue.
    »Ich muss es nur wissen, falls die Leute mich fragen«, erklärte sie und wurde rot. Und Mike dankte seinem Schöpfer, dass Leute
     unwillkürlich erröteten.
    Colleen erinnerte sich hingegen, dass Mike mehrmals angebotenhatte, ihr eine Tasse Kaffee zu besorgen, selbst dann noch, als sie ihm erklärt hatte, dass sie gar keinen Kaffee trank. Danach
     hatte er versucht, sie zum Mittagessen oder einem Drink nach dem Dinner einzuladen.
    »Es war so was von offensichtlich«, erzählte Colleen immer. »Meine Kollegin sagte, du sähest aus wie ein Welpe, der mit dem
     … ähm … Schwänzchen wedelt, weil er unbedingt auf sich aufmerksam machen will.«
    Wie auch immer es gekommen war, ihre erste Verabredung hatten Mike und Colleen jedenfalls an einer Snackbar in der Messehalle.
     Er lud sie zu einem Spiel der Bulls ein, sie nahm an, und er musste daraufhin, um an Karten zu kommen, sämtliche seiner Geschäftsfreunde
     beknien – und so viele waren das damals noch gar nicht. Wie hätte man sich nicht in jemanden verlieben können, der nicht nur
     Sport mochte, sondern im Stadion auch noch jedermanns Aufmerksamkeit auf sich zog, ob Männlein oder Weiblein.
    Fortan traf sich Mike nicht mehr mit anderen Frauen. Vielleicht zum ersten Mal wollte er mit einer Frau nicht nur zusammen
     sein, um sie ins Bett zu kriegen. Er war hingerissen von Colleens Lächeln, wenn er sie zu einer Verabredung abholte, von ihrem
     leisen Lachen, ihrem Parfüm. Er war stolz, mit ihr zusammen gesehen zu werden. Natürlich hatte er schon mehrfach versucht,
     mit ihr zu schlafen, aber als sie ihn nur bis hierhin und nicht weiter ließ, kam ihm diesmal nicht der Gedanke, sich einfach
     eine andere zu suchen, die weniger kompliziert war. Er würde eben geduldig sein. Am Ende würde sich seine Geduld auszahlen,
     da war er sich sicher. Eines Abends würde er die richtigen Worte, die richtige Berührung, den richtigen Augenblick wählen.
    Dieser Augenblick kam, nachdem sie sich ungefähr einenMonat lang getroffen hatten. Mike saß auf der Couch und schaute im Fernsehen die Nachrichten, während Colleen sich zum Ausgehen
     fertig machte. Einer der Moderatoren besprach gerade den Film »Die Affäre der Sunny von B.«, nach der wahren Geschichte des
     Claus von Bülow und dessen angeblichen Mordes an seiner Frau. In dem Filmausschnitt, der gesendet wurde, fuhr die Kamera ganz
     nah an das Gesicht von Jeremy Irons, während er das Insulin abmaß. Und plötzlich war Mike wieder in Woodlake und sah sich
     am Schlafzimmer seiner Eltern vorbeikommen. Durch die nur angelehnte Tür bemerkte er seinen Vater, der am Frisiertisch seiner
     Mutter saß und die Tabletten abzählte, die er ihr geben wollte. Mike sah, wie sein Vater die Tabletten anstarrte, als sei
     er sich irgendwie unsicher. Dann beobachtete er, wie sein Vater noch ein paar mehr Pillen auf ein anderes Häufchen schüttelte.
     Danach schob er die beiden Häufchen zusammen und starrte sie an. Vielleicht hatte Mike in diesem Moment eine Bewegung gemacht
     oder sogar nach Luft geschnappt, denn plötzlich sah sein Vater auf und merkte, dass Mike ihn beobachtete.
    Was Mike aus der Fassung bracht, war nicht die Erinnerung an den Gesichtsausdruck seines Vaters, der dem des Schauspielers
     so ähnelte. Weil die Tür fast geschlossen gewesen war, hatte er von seiner Mutter nur den Hügel ihrer Füße unter der Bettdecke
     gesehen. Offensichtlich lag sie auf dem Rücken und wartete darauf, dass ihr Mann, ihr zuverlässiger Mann, ihr die Schmerztabletten
     gab. Aber auch das war nicht der Grund, warum Mike jetzt auf Colleens Couch einen Zusammenbruch erlitt. Es war seine Erinnerung
     daran, wie schnell er am Schlafzimmer vorbeigehuscht und zu irgendeinem belanglosen Unterfangen weitergezogen war, ohne auch
     nur ein Wort mit seinem Vater oder seiner Mutter zu wechseln.
    Colleen kam mit der Haarbürste aus dem Schlafzimmer und wollten wissen, was los war. Mike erzählte ihr alles.
    Colleen tröstete ihn.
    Am nächsten Morgen

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