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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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auf ihren
     langen Fahren miteinander sprachen. Die Frauen anderer Männer hätten sich womöglich über dieses Schweigen und den Mangel an
     Konversation aufgeregt. Aber Clare hatte ihm nie damit in den Haaren gelegen, er solle sich doch mal »öffnen« und Gedanken
     mit ihr »teilen«. Nie hatten sie sich über dieses Schweigen gestritten. Nie hatten sie die Notwendigkeit empfunden, jede noch
     so geringfügige, eventuell darin zum Ausdruck kommende Rücksichtslosigkeit auszuloten. Manchmal hatte Bill das Gefühl, dass
     die glücklichsten Momente seiner Ehe gerade diese stillen Augenblicke gewesen waren.
    Da sind wir wieder, Clare. Heil nach Hause gekommen.
    Und Clare antwortete dann: Du bist mein Held. Dann beugte sie sich zu ihm herüber und küsste ihn.
    Jahrelang war das so geblieben, selbst noch, als die Kinder auf dem Rücksitz größer wurden und angesichts dieser entsetzlichen
     öffentlichen Zurschaustellung von Zuneigung
» Bäh«
oder
»Ekel
haft
« riefen. Aber nach einiger Zeit – Bill konnte selbst nicht sagen, wann genau – wurde dann aus dem Kuss auf die Lippen ein
     Küsschen auf die Wange. Und als sie erst ihre Diagnose bekommen hatte, war es ihm unpassend erschienen, noch zu sagen: »Heil
     nach Hause gekommen.«
    »Und heil möchte ich auch noch ein Weilchen bleiben, Grandpa«, sagte April und drückte ihm die Schlüssel in die Hand, bevor
     er überhaupt registriert hatte, dass er sie aufhielt.
    »Ich dachte, du willst Autofahren lernen.«
    »Will ich auch. Ich will nur nicht ins Gefängnis kommen.«
    »Kein Mensch wirft uns ins Gefängnis. Fahr einfach nur so schön weiter wie bisher, immer genau an der Geschwindigkeitsbegrenzung
     oder vielleicht ein bisschen drüber, damit die nicht denken, du bist ein Drogenkurier, dann kann uns nichts passieren.«
    Er hielt ihr die Schlüssel hin. April verschränkte die Arme und starrte ihn an. Bill sah Marcy. Aber schon im nächsten Augenblick
     sah er Clare. Dieser Blick: entnervt, erwartungsvoll, geduldig, herablassend, liebevoll, hoffnungsfroh.
    »Zum Donnerwetter«, rief er und warf ihr die Schlüssel in den Schoß. »Wenn du nach Seattle willst, dann must du wohl oder
     übel …«
    »San Francisco.«
    »Wohin auch immer. Wenn du da hin willst, dann fahr gefälligst. Willst du dir nun diesen großen Traum erfüllen, über dendu dich ständig dranhältst? Dann fahr! Du willst nicht fahren? Du willst, dass irgendein frustrierter Rambo dir Angst macht
     und dir deinen Traum wegnimmt? Du willst, dass ich fahre? Na gut, dann fahren wir eben wieder nach Woodlake. Du hast die Wahl.«
    April sah ihn entgeistert an. »Grandpa, warum bist du denn so gemein?«
    Bill spürte, dass die Sinnestäuschung, die er so fürchtete, sich seiner wieder zu bemächtigen drohte. Innerlich bereitete
     er sich schon auf die kleinen Stromstöße in seinem Kopf vor, die hellen roten und grünen Funken, die vor ihm aufblitzten,
     wie wenn man die Finger gegen die geschlossenen Augen drückte.
    Es half, den Blick auf April zu konzentrieren. Die seltsamen kleinen Blitze blieben weg. Das Pochen in seinem Kopf ebbte ab.
     April sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.
    »Dir ist vielleicht schon aufgefallen, dass ich manchmal etwas abwesend bin«, sagte er mit leiser, ruhiger, resignierter Stimme.
     »Manchmal frage ich mich, was ich mache. Ich frage mich, wie lange ich es schon mache und wie ich überhaupt dazu gekommen
     bin. Ich frage mich sogar, wo ich bin. Dann kann ich gar nichts mehr machen, außer vollkommen abzuschalten und zu schlafen.
     Egal, was ich dagegen unternehme. Manchmal merke ich auch gar nicht, was ich mache. Oder plötzlich stelle ich fest, dass ich
     geschlafen habe.« Bill unterbrach sich und atmete einmal tief durch. »Ich glaube, es wäre nicht so gut, wenn so etwas passiert,
     während ich am Steuer sitze, oder?«
    Es dauerte lange, bis April antworten konnte.
    »Grandpa, geht es dir gut?«, fragte sie.
    »Mir geht es gut, also hör auf, dir Sorgen über mich zu machen«, antwortete Bill. Er fühlte sich schon viel besser. »Solche
     Sachen kommen eben vor. Nicht schlimm. Also, dann wollenwir mal weiter. Es sei denn, du willst einen Doughnut. Willst du einen? Ich könnte einen vertragen. Ich könnte sogar gut einen
     vertragen.«
    April starrte ihren Großvater weiter an. Dann nahm sie die Schlüssel, steckte den richtigen ins Schlüsselloch und ließ den
     Motor an.
    »Nimm es nicht persönlich, Grandpa, aber das ist echt beschissen.«
    Als

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