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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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durchsetzbar. Sie musste durch eine weniger harte Strafe ersetzt werden. So sank allerdings die Zahl der Hinrichtungen; Kritik von oben drohte. Mein Vorgesetzter rief an und schlug vor, mich durch jemand anderen ersetzen zu lassen. Ich ging nicht darauf ein.
    Erst später erfuhr ich, dass zu diesem Zeitpunkt meine Versetzung längst beantragt war. Das schien manchem jedoch nicht genug zu sein: Am Abend nach dem Anruf wurde ich auf offener Straße von einem Militärfahrzeug angefahren. Wenn auf dem Land ein Zivilist durch ein Militärfahrzeug verletzt wurde oder zu Tode kam, hatte das üblicherweise keine Konsequenzen. Wenn es sich jedoch um einen Justizbeamten handelte, war zumindest ein langwieriges Hin und Her von Schuldzuweisungen die Folge. Doch in meinem Fall brachte mich das Militär direkt ins Krankenhaus 301, wo ich medizinisch versorgt wurde. Mehr geschah nicht. Auch von Seiten meiner Arbeitsstelle wurden keine weiteren Nachforschungen angestellt.
    Gleich nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus reichte ich meine Kündigung ein. Meine Mutter machte mir nicht den geringsten Vorwurf.
    Gemeinsam machten wir uns selbstständig und eröffneten ein kleines Restaurant gleich hinter dem östlichen Campus der Peking-Universität. Unsere Spezialität war Ente nach Guizhou-Art. Peking war in den achtziger Jahren eine Stadt, die Sehnsüchte weckte, in einer Zeit, in der alles möglich zu werden schien. Unsere Stammkundschaft bestand anfangs vor allem aus Studenten, Künstlern und Literaten aus Guizhou. Diese brachten wiederum Pekinger Autoren, Kunstschaffende und Akademiker und auch ihre ausländischen Freunde zum Essen und Debattieren mit. Meine Mutter liebte es, Gäste zu bewirten, und ich liebte es, mich unter die Gäste zu mischen wie die Betreiberin eines vornehmen Salons. Je mehr Leute kamen, desto wohler fühlte ich mich. Alle riefen mich bloß bei meinem Kosenamen, Xiaoxi. Bald schon mussten wir anbauen. Mit der Erweiterung bekam unser Restaurant auch einen neuen Namen: Die Fünf Aromen. Im Herbst ’88 lernte ich Shi Ping kennen und verliebte mich in ihn.
    Er war Dichter, ich eine Frau ohne jegliche poetische Ader, doch uns war beiden das Talent eigen, Menschen zusammenzubringen. Gemeinsam träumten wir davon, wie er eines Tages den Literaturnobelpreis bekommen würde. Ich wollte mit zur Preisverleihung nach Stockholm fahren. Es waren die glücklichsten Monate meines Lebens.
    Allerdings hatten wir nur wenig Zeit für uns alleine, denn Shi Ping liebte es, mit seinen Dichter- und Künstlerfreunden zusammen zu sein. Es waren auch immer viele Frauen mit von der Partie, aber ich dachte mir nichts dabei.
    Das Restaurant war jeden Abend voll besetzt, es wurden Diskussionen geführt und Debatten entfacht, Manifeste aufgesetzt und Unterschriften gesammelt, dazu gab es Eifersüchteleien, Rausch und Randale. Regelmäßig stand die Polizei vor der Tür, doch meiner Mutter gelang es jedes Mal, sie wieder loszuwerden.
    Zusammen mit einer Gruppe von Freunden fuhren wir für ein paar Tage an den Baiyangdian-See, wo Shi Ping und ein paar seiner Freunde während ihrer kulturrevolutionären Landverschickung gelebt hatten. Ich blieb nur kurz und fuhr alleine nach Peking zurück. Ich spürte, dass zwischen Shi Ping und einer der anderen Frauen etwas war, das über bloße Freundschaft hinaus- ging, also reiste ich unter irgendeinem Vorwand ab, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. An jenem Abend wurde das Restaurant von der Polizei geschlossen. Vor Kurzem hätten hier ein paar Akademiker in Anwesenheit ausländischer Journalisten ein Manifest verfasst, hieß es.
    Ich weiß nicht mehr, was ich mir damals dabei dachte, aber ich lief sofort zu Bancuntou, dem Rasenmäherkopf. Bancuntou war einer meiner Kommilitonen von der Uni. Er stammte aus einer einflussreichen Familie, kommunistischer Politadel, wenn man so will. Hatte sich immer so benommen, als ob das Land ihm gehörte, denn schließlich hatte sein Vater es ja erobert. Typen wie ihn gab es in den gehobenen Kreisen Pekings zuhauf. Von meinen Kommilitonen hatte er die einflussreichste Position inne, hatte ich gehört, daher hoffte ich, dass er vielleicht etwas bewirken konnte. Aber es gab noch einen anderen Grund: Während unserer Zeit an der Uni hatte er mir unverhohlen Avancen gemacht. Er hielt sich für unwiderstehlich, doch mich hatte seine überhebliche Art eher abgestoßen. Durcheinander wie ich war, glaubte ich wohl, ich könnte seine Gefühle für mich wieder

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