Die Feuer des Himmels
Töchter des Speers hatten sie gebrochen. Er selbst hatte Menschen gebrochen und erkannte die Anzeichen. Eifer, um weitere Bestrafung zu vermeiden, wurde zum unbedingten Gehorsam. Der Verstand wollte nie zugeben, daß er sich vor etwas drückte, also würde sie sich bald einreden, sie wolle tatsächlich gehorchen und habe nur noch im Sinn, den Töchtern zu gefallen.
»Was hat denn Aviendha damit zu tun?« knurrte er. Wann würde Isendre anfangen, auch noch all ihre Sünden zu gestehen?
»Al'Thor ist seit Rhuidean mit ihr ins Bett gegangen, du Narr! Sie verbringt jede Nacht mit ihm. Die Töchter glauben, sie werde ihn heiraten.« Selbst durch ihr Schluchzen hindurch hörte er ihren aufgestauten Zorn. Es gefiel ihr bestimmt nicht, daß eine andere geschafft hatte, was ihr versagt geblieben war. Zweifellos hatte sie ihm deshalb nicht früher Bescheid gesagt.
Aviendha war trotz ihres wilden Blicks eine schöne Frau mit volleren Brüsten, als bei den Töchtern üblich, und doch würde er Isendre ihr vorziehen, wenn nur... Isendre stand mit hängenden Schultern im Mondschein, der durch die Fenster drang, zitterte von Kopf bis Fuß, schluchzte mit offenem Mund und machte sich nicht einmal mehr die Mühe, die Tränen abzuwischen, die ihr über die Wangen liefen. Sie würde auf dem Bauch kriechen, wenn Aviendha sie nur einmal böse anschaute.
»Also gut«, sagte er sanft. »Wenn du nicht kannst, dann eben nicht. Dann holst du eben aus Natael heraus, was du nur kannst. Ich weiß, daß du dazu in der Lage bist.« Er erhob sich und nahm sie bei den Schultern, um sie zur Tür zu schieben.
Sie zuckte unter seiner Berührung, wandte sich aber nicht um. »Natael wird mich die nächsten Tage über nicht ansehen«, sagte sie ungeduldig und schniefend. Einen Schluckauf hatte sie nun auch noch. Jeden Moment konnte sie erneut in Tränen ausbrechen, aber sein Tonfall schien sie doch etwas beruhigt zu haben. »Ich bin rot, Hadnan. So rot, als hätte ich einen ganzen Tag lang nackt in der Sonne gelegen. Und mein Haar. Es wird ewig dauern, bis es wieder nachwä...«
Während sie gleichzeitig nach der Tür langte und auf die Klinke blickte, hatte er blitzschnell das Tuch zu einer Schnur zusammengerollt und ihr von hinten um den Hals gelegt. Er zog es zusammen und bemühte sich, ihr Gurgeln und Röcheln und das verzweifelte Schaben ihrer Füße auf dem Boden zu ignorieren. Ihre Finger krallten sich in seine Hände, doch er blickte stur geradeaus. Selbst mit offenen Augen sah er Teodora vor sich, wie immer, wenn er eine Frau tötete. Er hatte seine Schwester geliebt, doch sie entdeckte, was er war, und sie hätte den Mund nicht gehalten. Isendres Fersen trommelten wild auf den Boden, aber nach einer gewissen Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, wurden die Bewegungen langsamer und erstarben dann ganz. Ihr Gewicht lag schlaff in seinen Armen. Er hielt die Schnur noch straff, bis er auf sechzig gezählt hatte, und dann ließ er sie zu Boden sinken. Sie hätte sehr bald alles gestanden. Gestanden, zu den Schattenfreunden zu gehören. Und mit dem Finger auf ihn gezeigt.
Er tastete in den Kommoden herum und zog schließlich ein Fleischermesser hervor. Eine ganze Leiche loszuwerden war ein schwieriges Unterfangen, aber zum Glück bluteten Tote nicht so stark, und das bißchen Blut würde von diesem Gewand aufgesaugt werden. Vielleicht konnte er die Frau aufspüren, die ihm die Nachricht unter der Tür durchgeschoben hatte. Falls sie nicht hübsch genug war, hatte sie bestimmt Freundinnen, die auch zu den Schattenfreunden gehörten. Natael würde es gleich sein, ob er von einer Aielfrau besucht wurde, obwohl Kadere lieber mit einer Giftschlange das Bett geteilt hätte, so gefährlich, wie ihm die Aiel vorkamen. Vielleicht hätte eine Aielfrau auch bessere Chancen als Isendre, was Aviendha betraf. Er kniete nieder und summte leise ein Lied bei der Arbeit, ein Schlaflied, das ihm Teodora beigebracht hatte.
KAPITEL
30
Eine Wette
E in sanfter Abendwind strich über die kleine Stadt Eianrod und legte sich schnell wieder. Rand saß auf der Steinbrüstung der breiten, niedrigen Brücke im Stadtzentrum. Der Wind schien heiß zu sein, doch nach all der Zeit in der Wüste hatte er kein Gefühl mehr dafür. Der Abend war sicher warm, aber nicht einmal warm genug, daß er sein rotes Wams aufgeknöpft hätte. Der unter ihm schimmernde Fluß war noch nie sehr breit gewesen und jetzt sogar noch auf die Hälfte seines üblichen Bettes
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