Die Feuer des Himmels
seinen Plänen und enthüllte ihr seine Schwächen, selbst wenn er der Wiedergeborene Drache war, dieser Morgendämmerungsmensch oder wie ihn die Aiel nannten.
Sie schauderte sichtlich. »Zumindest Natael kann ich mich nähern.« Sich ihm nähern? Als die Töchter sie einmal dabei erwischten, wie sie in das Zelt dieses Mannes schlüpfte, hatten sie Isendre jede Nacht praktisch mit Gewalt zu ihm hineingestoßen. Sie war eine wahre Meisterin im Schönreden. »Nicht, daß er mir irgend etwas erzählen würde. Warte. Hab Geduld. Sei still. Finde dich mit dem Schicksal ab, was das auch bedeuten mag. Das sagt er jedesmal, wenn ich ihm eine Frage zu stellen versuche. Meistens will er bloß Musik spielen, wie ich sie noch nie gehört habe, und dann will er mich lieben.« Mehr hatte sie noch nie über den Gaukler zu berichten gewußt. Zum hundertstenmal fragte er sich, warum Lanfear wollte, daß er Natael überwache. Der Mann stand doch angeblich so hoch in Schattenfreundeskreisen, wie es überhaupt nur ging, nur einen kleinen Schritt unterhalb der Auserwählten selbst.
»Wie ich das verstehe, hast du es immer noch nicht fertig gebracht, in al'Thors Bett zu schlüpfen?« fragte er und schob sich an ihr vorbei, um sich auf das Bett zu setzen.
»Nein.« Sie wand sich wieder unter ihrem Gewand.
»Dann mußt du dich eben noch mehr anstrengen, ja? Ich habe langsam genug von Versagern, Isendre, und unsere Herren sind nicht so geduldig wie ich. Er ist auch nur ein Mann, gleich, welche Titel er führen mag.« Sie hatte oft vor ihm geprahlt, sie könne jeden Mann haben, den sie wollte, und ihn dazu bringen, daß er auch noch machte, was sie wollte. Sie hatte ihm sogar bewiesen, wie sehr diese Prahlerei der Wahrheit entsprach. Sie hätte es überhaupt nicht nötig gehabt, Schmuck zu stehlen, denn er hätte ihr alles gekauft, was sie sich wünschte. Er hatte ihr bereits mehr gekauft, als er sich leisten konnte. »Die verdammten Töchter können ihn nicht jede Sekunde bewachen, und wenn du einmal in seinem Bett liegst, läßt er es nicht mehr zu, daß sie dir etwas tun.« Einmal mit ihr im Bett würde ausreichen. »Ich habe volles Vertrauen in deine Fähigkeiten.«
»Nein.« Das klang noch entschlossener als zuvor.
Er rollte nervös das Tuch auf und zwirbelte es anschließend wieder. »›Nein‹ ist ein Wort, das unsere Herren gar nicht gern hören, Isendre.« Damit meinte er die Lords unter den Schattenfreunden, die keineswegs alle auch in der normalen Gesellschaft Lords oder Ladies waren. Bei ihnen konnte durchaus ein Diener einer Lady Befehle erteilen oder ein Bettler einem Ratsherren. Doch diese Befehle wurden mindestens genauso streng durchgesetzt wie die jedes Adligen, gewöhnlich sogar noch strenger. »Und kein Wort, das unsere Herrin gern hören wird.«
Isendre schauderte. Sie hatte ihm seine Geschichte nicht abgenommen, bis er ihr die Brandmale auf seiner Brust zeigte, aber seither hatte eine Erwähnung Lanfears gereicht, um jeden Widerstand ihrerseits zu ersticken. Diesmal begann sie zu weinen. »Ich kann nicht, Hadnan. Als wir heute abend anhielten, glaubte ich, in einer Stadt hätte ich eine bessere Chance als in einem Zeltlager, doch sie fingen mich, bevor ich mich ihm auf weniger als zehn Schritt nähern konnte.« Sie schob ihre Kapuze zurück und er schnappte nach Luft, als sich der Mondschein auf einer Glatze spiegelte. Sogar ihre Augenbrauen waren verschwunden. »Sie haben mich rasiert, Hadnan. Adelin und Enaila und Jolien haben mich festgehalten und mir jedes einzelne Haar abrasiert. Und sie haben mich mit Brennesseln ausgepeitscht, Hadnan.« Sie wankte wie ein Schößling im rauhen Wind und schluchzte. Ihr Flüstern war kaum noch hörbar: »Es brennt von Kopf bis Fuß und es tut so weh, daß ich mich nicht zu kratzen traue. Sie sagten, wenn sie mich erwischten, wie ich ihn auch nur anschaue, würden sie dafür sorgen, daß ich ein Gewand aus Brennesseln bekäme! Das haben sie ernst gemeint, Hadnan. Wirklich! Sie sagten, sie würden mich Aviendha übergeben und was die dann mit mir anstellen werde. Ich kann nicht, Hadnan. Nicht noch einmal. Ich kann nicht.«
Wie betäubt starrte er sie an. Sie hatte solch schönes, dunkles Haar gehabt. Und doch war sie so schön, daß ihr Kopf, kahl wie ein Ei, sie selbst jetzt eher exotisch wirken ließ, trotz ihres Weinens und des tränennassen Gesichts. Wenn sie doch nur eine einzige Nacht in al'Thors Bett schlüpfen könnte... Aber das würde nun nicht geschehen. Die
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