Die Feuer des Himmels
angebracht, rot und blau, um die fehlende Tür zu ersetzen. Eine der Frauen war Moiraine. Einen Augenblick lang überlegte er sich, ob er sie warten lassen solle. Moiraine hatte wieder diesen aufreizenden Kommandoblick an sich und erwartete offensichtlich, daß sie alles unterbrächen, um sie anzuhören. Andererseits war aller Diskussionsstoff ohnehin verbraucht, und sie sah wohl auch den Männern an, daß sie keine Lust zum Plaudern hatten. Nicht jetzt, wo man gerade an die Trostlosigkeit und die Shaido denken mußte.
Seufzend stand er auf, und die Häuptlinge taten es ihm nach. Alle außer Han waren genauso groß oder noch größer als er. Wo Rand aufgewachsen war, hätte man Hans Größe als durchschnittlich oder sogar etwas überdurchschnittlich betrachtet, während er unter den Aiel als klein galt. »Ihr wißt, was Ihr zu tun habt. Holt die restlichen Clans her und behaltet die Shaido im Auge.« Er schwieg einen Moment lang und fügte dann hinzu: »Es wird schon gut ausgehen. So gut für die Aiel, wie ich es nur fertigbringe.«
»Es wurde geweissagt, daß Ihr uns vernichten werdet«, sagte Han mürrisch, »und Ihr habt gut damit begonnen. Und doch werden wir Euch folgen. Bis der Schatten verflogen«, zitierte er, »bis das Wasser versickert ist, in den Schatten hinein mit gebleckten Zähnen, bis zum letzten Atemzug Widerspruch schreiend, um am Letzten Tag dem Sichtblender ins Auge zu spucken.« Sichtblender war eine der Aielbezeichnungen für den Dunklen König.
Rand blieb nichts anderes übrig, als eine geziemende Antwort zu geben. Einst hatte er sie nicht gekannt. »Bei meiner Ehre und dem Licht wird mein Leben zum Dolch im Herzen des Sichtblenders werden.«
»Bis zum Letzten Tag«, beendete der Aiel die zeremoniellen Sätze, »und zum Shayol Ghul selbst.« Der Harfner spielte friedlich weiter. Die Häuptlinge drängten sich an den beiden Frauen vorbei, wobei sie Moiraine mit respektvollen Blicken bedachten. Sie hatten aber offensichtlich keine Angst vor ihr. Rand wünschte, er besäße ebensoviel Selbstsicherheit. Moiraine hatte zu viele Pläne für ihn, zu viele Möglichkeiten, ihn als Marionette zu benützen, ohne daß er es überhaupt bemerkte.
Die beiden Frauen traten ein, sobald die Häuptlinge weg waren. Moiraine wirkte so kühl und elegant wie immer: eine kleine, hübsche Frau, ob mit oder ohne die typische Alterslosigkeit der Aes Sedai. Sie hatte das feuchte Tuch zur Kühlung ihrer Schläfen abgelegt. Statt dessen hing auf ihrer Stirn an einer feinen goldenen Kette, die in ihrem dunklen Haar befestigt war, ein kleiner blauer Edelstein. Es hätte aber auch nichts bedeutet, wenn sie an dieser Stelle das Tuch belassen hätte; nichts konnte ihre königliche Haltung mindern. Sie erschien allen für gewöhnlich einen Fuß größer, als sie tatsächlich war, und in ihren Augen standen Selbstvertrauen und Überlegenheit.
Die andere Frau war größer, wenn sie ihm auch nicht bis an die Schulter reichte, und jung, also keineswegs alterslos. Es war Egwene, mit der er aufgewachsen war. Nun konnte sie sich fast, wenn man die großen, dunklen Augen mißachtete, als Aielfrau ausgeben, und das nicht nur ihres sonnenverbrannten Gesichts und der Hände wegen. Sie trug den bei den Aiel üblichen Rock aus brauner Wolle und eine lose hängende weiße Bluse aus einer Pflanzenfaser, die Algode genannt wurde. Algode war weicher als selbst die feinstgesponnene Wolle. Falls er je die Aiel dazu bringen konnte, wäre das eine hervorragende Handelsware. Um Egwenes Schultern hing ein graues Dreieckstuch, und sie hatte sich einen ebenfalls grauen Schal zusammengerollt und um die Stirn gebunden, der ihr schulterlanges, dunkles Haar zurückhielt. Anders als die Aielfrauen trug sie aber nur einen Armreif aus Elfenbein, in Form eines Flammenringes geschnitzt, und nur eine einzige Halskette aus Gold mit Elfenbeinperlen. Und noch etwas: einen Großen Schlangenring an der linken Hand.
Egwene hatte sich von einigen Weisen Frauen der Aiel ausbilden lassen. Rand wußte nicht genau, worin, er vermutete aber, es müsse um Träume gehen. Egwene und die Aielfrauen hüllten sich in Schweigen, wenn es um dieses Thema ging. Vorher aber hatte sie auch in der Weißen Burg studiert. Sie war dort eine der Aufgenommenen und auf dem Weg, eine Aes Sedai zu werden. Und zumindest hier und in Tear hatte sie sich bereits als fertige Aes Sedai ausgegeben. Manchmal zog er sie deshalb auf, doch sie vertrug seine Scherze in dieser Beziehung offensichtlich
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