Die Feuer von Eden
Stimmung zu heben und mich von dem Grauen, das vor uns lag, abzulenken, aber jenes unheimliche Gefühl der Dringlichkeit blieb ebenso wirklich wie das schwebende Irrlicht, das nun die uralte gepflasterte Straße verließ und über die a’a -Felder zur Küste schwebte. Unsere Pferde zögerten kurz, deutlich widerstrebend, sich abermals den Strapazen zu unterziehen, sich einen Weg durch das scharfkantige Gestein zu suchen, aber wir trieben sie an, und schließlich gehorchten sie. Die Kugel aus blauem Gas hatte auf uns gewartet, bis wir in die Lavafelder eintraten, doch nun schwebte sie wieder weiter.
Bemüht, denselben unbekümmerten, neckenden Tonfall zu treffen, in dem Mr. Clemens gesprochen hatte, sagte ich: »Ich fürchte, es wird mir schwerfallen, die haole -Geister aus der Unterwelt zu führen... ich glaube nämlich nicht an Geister.«
Mr. Clemens räusperte sich, als wolle er zu einer weiteren Anekdote ansetzen, und erwiderte: »Das tat ich auch nicht, bis zu einer gewissen Herbstnacht vor zwei Jahren in Carson City, als...« Er hielt inne und brachte dann sein Pferd zum Stehen. Vor uns lag eine steile Wand aus Lava, die vor langer Zeit in einer feurigen Kaskade dreihundert Meter tief hinuntergestürzt war und nun, zu glattem Gestein ausgekühlt, ein kreisrundes Amphitheater formte, das hinunter bis zu einer weitläufigen Bucht reichte. Eine Viertelmeile unter uns konnten wir das Tosen der Brandung hören. In diesem Amphitheater standen ein Kokospalmenhain und einige eingestürzte Hütten.
»Ich denke, das könnte Kealakekua Bay sein«, sagte Mr. Clemens leise, als würde uns jemand belauschen. »Wo sie vor einigen Jahren Kapitän Cook getötet und gekocht haben.«
Wie immer die Bucht heißen mochte, jener sonderbare Kreis aus glattem und geriffeltem Gestein wurde von einem einzelnen breiten Riß in der Erde geteilt, einem engen Spalt, der offenkundig die eingestürzte Decke einer der vielen Lavatunnel war, denen wir auf unserem Ritt begegnet waren. An der Stelle, wo das Irrlicht verschwunden war, fiel der Boden steil ab, und die Öffnung des Spalts erinnerte eher an den Eingang zu einer Höhle.
Die Pferde weigerten sich, auch nur auf zehn Meter an diesen Spalt und den Eingang heranzugehen. Wir stiegen ab, und Mr. Clemens band die erschöpften Tiere an, dann nahm er ein aufgerolltes, längeres Seil von seinem Sattel, und wir näherten uns zögernd der Öffnung.
Der Eindruck eines Höhleneingangs täuschte; selbst dort, wo der Boden in Lavafalten abfiel, war die Spalte eher vertikal denn höhlengleich. Aufgrund der Felsüberhänge, wo das Dach eingestürzt war, war es unmöglich zu erkennen, ob der Spalt zwei Meter oder zweihundert Meter tief war.
Mein Gefährte hatte einen kleinen Stein an das Ende des mitgebrachten Seils gebunden. Nun warf er ihn in die Öffnung zu unseren Füßen. »Wir müssen die Tiefe ausloten«, erklärte er geistesabwesend. Der Stein traf auf Fels, als gerade mal sechs, sieben Meter des Seils in der Spalte verschwunden waren.
»Gut«, sagte Mr. Clemens. Er holte das Seil wieder ein und rollte es mit dem Geschick, das langer Übung entstammt, auf. »Mark Twain, würde ich sagen.« Er warf das Seil abermals aus, diesmal weiter. »Ja«, erklärte er.
Ich sah ihn fragend an.
»So sagt man bei den Flußschiffern«, erklärte Mr. Clemens. »Es bedeutet, daß das Lot eine Tiefe von zwei Faden anzeigt. Knapp vier Meter. Tief genug, daß der Kiel durchkommt. Eine gute Nachricht für den Flußschiffer. Tatsächlich gefällt mir dieser Ausdruck so gut, daß ich letzte Woche, als ich den Artikel über die Hornet einsandte...«
»Wie sollen wir vier Meter hinunterklettern?« fragte ich; ich wollte ihn zwar nicht unterbrechen, doch ich war weit mehr an der vor uns liegenden Aufgabe interessiert denn an pittoresken Erzählungen über das Leben der Flußschiffer.
»Die alte Vettel sagte etwas über ieie -Ranken«, erwiderte Mr. Clemens. »Aber ich dachte, daß dieses Seil besser wäre als...« Er verstummte und starrte mit einem so merkwürdigen Gesichtsausdruck über meine Schulter, daß ich mich eilends umdrehte.
Keine zwei Meter hinter mir stand eine junge Frau. Ich hatte sie nicht herkommen hören, obgleich der Kies und das lose Gestein unter unseren Stiefeln geknirscht hatte. Sie war eine Eingeborene, jung, wunderschön, mit schimmernder brauner Haut, strahlenden dunklen Augen und langem seidigen Haar von der Farbe von Rabenflügeln. In ihren schlanken Händen hielt sie zwei Dinge —
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