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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Wonne predigte, durch die Lavakruste eingebrochen war, zerbrach die Flasche. Nachdem wir unseren baumelnden Führer aufgrund seines sorglosen Umgangs mit unseren Vorräten des weiteren Dienstes enthoben hatten, kamen Miss Stewart aus Ohio und ich überein, daß ich fürderhin von philosophischen Betrachtungen Abstand nehmen sollte.)
     
    Reverend Haymark lachte herzlich über diesen ziemlich gezwungenen Versuch »intelligenten Humors«, den ich persönlich nur anführe, um die Geisteshaltung meines Reisegefährten selbst in dieser düstersten Stunde zu zeigen.
    Keiner der Eingeborenen wollte uns an die leewärtige Küste begleiten, obgleich Mr. Clemens ihnen ein beachtliches Bestechungsgeld anbot. Sie waren alle zutiefst eingeschüchtert, auch Hananui. Am Ende machten wir uns mit einer eilig gezeichneten Karte auf, die uns der Wirt gab; unsere Pferde beladen mit Proviant für mehrere Tage, den wir uns aus den Speisekammern des Volcano House zusammengesucht hatten.
    Der erste Teil unseres Ritts den Vulkan hinunter war ereignislos, wenn auch durchaus atemberaubend ob der hochaufschießenden Lavageysire hinter uns und der langgezogenen Schwaden der Schwefeldämpfe, die wie übelriechende Wolkenbänke über uns hingen. Mauna Loa ragte zu unserer Rechten auf, sein Gipfel mehr als dreitausend Meter über dem seines kleineren Verwandten, dem Kilauea. Wir konnten keine Lava aus ihm entströmen sehen, aber aus dem Krater stieg eine Wolke auf und trieb wabernd nach Westen, wie ein unheilvolles Omen für unser Vorhaben.
    Das Gelände hier auf der leewärtigen Seite der Insel ist schier unbeschreiblich öde, ein Lavafeld nach dem anderen, die erkaltete pahoehoe -Lava in tausend abstoßenden Formen erstarrt, während die Basaltwälle und stummen Schlackekegel eine Landschaft formten, die zu gleichen Teilen an Dante und an eine Pittsburgher Kohlenhalde erinnerte. Der Weg — Teil des uralten hawaiischen Pfads, den die Einheimischen Ainapo nannten — wand sich in südwestlicher Richtung zwischen dem Mauna-Loa-Massiv und den im Süden liegenden Ozeanklippen entlang. Über die ersten Stunden sahen wir nur schwarze Lava und hier und dort ein paar ausgedörrt anmutende, verwachsene Bäume, welche die Hawaiianer ohi’a nennen, sowie einige spröde Farne — ama’u , die, wie Reverend Haymark sagt, auf Lavafeldern wachsen, die jünger als ein Jahr sind.
    Da dieser Weg seltener benutzt wurde und unwegsamer als der Pfad zwischen Hilo und Kilauea war, hatten wir keine zwanzig Meilen zurückgelegt, als die tropische Nacht anbrach. Ich sollte kurz die Gelegenheit nutzen und jenen Sonnenuntergang beschreiben: Wir ritten weit genug im Westen dahin, daß weit unter uns schon die leewärtige Küste von Big Island auszumachen war, während der Blick auf das Küstenpanorama nach Norden hin nur von den niedrigeren Ausläufern des südwestlichen Rückens des Mauna Loa versperrt wurde; von unserem gut sechshundert Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Aussichtspunkt aus konnten wir die Südspitze der Insel und die Weiten des Ozeans nach Süden und Westen sehen. Der Nachmittag war klar gewesen; der Wind hatte gedreht und die Vulkanwolken von uns weggetrieben, so daß uns nur noch azurblauer Himmel vom schnurgeraden Horizont westlich von uns trennte.
    Wir waren im Begriff, unsere Lager aufzuschlagen und unsere erschöpften Pferde anzubinden, doch wir hielten inne, um den Sonnenuntergang zu bestaunen. Die Sonne hing wie eine makellose rote Scheibe zögernd über dem Horizont, wie ein Galan, der seiner Geliebten nur widerwillig gute Nacht sagen mag. Schließlich verschwand sie, wurde langsam verschlungen von einer dunklen Wolkenbank. Ich hatte den Abschied der Sonne mit den Augen eines Poeten beobachtet, doch Mr. Clemens muß ihn mit dem geübten Auge des ehemaligen Flußkapitäns verfolgt haben, denn er bemerkte trocken: »Wenn der Wind sich hält, könnte jene kleine Wolkenbank uns noch vor dem Morgen Kummer bescheren.«
    Seine Warnung schien übertrieben, als wir unser Dörrfleisch aßen, nach bestem Vermögen zwischen den a’a- Blöcken unsere abendlichen Waschungen verrichteten und uns schlafen legten, wobei uns unsere Sättel als Kissen und der Himmel als Baldachin aus funkelnden Sternen dienten. Während ich mir hinter einem verwitterten Felsen, wo sich Regenwasser gesammelt hatte, das Gesicht wusch, hörte ich die Männer darüber debattieren, ob es ratsam wäre, in dieser Nacht eine Wache zu postieren. Reverend Haymark sprach sich dagegen

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