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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aus, da er befürchtete, dies könnte »die junge Dame« unnötig beunruhigen. Mr. Clemens lachte daraufhin schallend und erwiderte: »Ich glaube, daß es auf diesem Planeten nur recht wenig gibt, das dieser speziellen Dame einen Schrecken versetzen könnte.« Ich muß gestehen, daß ich nicht wußte, wie ich diese Bemerkung auffassen sollte, obgleich ich sicher bin, daß mir sein amüsierter Tonfall, als er »Dame« sagte, nicht gefiel.
    Jedenfalls stand keiner Wache, obwohl ich den Eindruck hatte, daß sie darauf vertrauten, daß die Pferde, die wir an einem einsamen lauhala- Baum festgebunden hatten, diese Aufgabe übernahmen. Ich glaube, daß mein Pferd — ein träges Tier, dem ich, wie schon seinem Vorgänger, den Namen Leo gab — selbst einen Überfall von kreischenden und heulenden Indianern verschlafen hätte, so müde war der Gaul.
    Am Morgen fand sich Mr. Clemens’ Vorhersage bestätigt, denn wir wurden noch vor Tagesanbruch von prasselndem Regen geweckt. Da weit und breit nichts außer dem einzelnen lauhala- Baum war, wo wir hätten Schutz suchen können, gaben wir bald den Versuch auf, über dem jämmerlichen Lagerfeuer, das der Korrespondent entzündet hatte, Kaffee zu kochen, und luden statt dessen unsere Deckenrollen und Satteltaschen auf die Pferde und machten uns zum weiteren Abstieg auf. Ich begann bereits daran zu zweifeln, ob es tatsächlich eine weise Entscheidung gewesen war, auf der Teilnahme an dieser sonderbaren Reise zu beharren. Während die Pferde sich vorsichtig einen Weg über die schlüpfrige Lava bahnten und ihr Hufschlag zwischen den a’a- Felsen widerhallte, war mir nur zu wohl bewußt, daß ich nunmehr längst die Annehmlichkeiten von Hilo genießen könnte, hätte ich mich der anderen Gruppe angeschlossen.
    Noch ahnte ich nicht, wie unbedeutend bloße Annehmlichkeiten schon in wenigen Stunden scheinen würden.
    Den ganzen Tag — gestern — über, stiegen wir beständig weiter ab, überquerten den südlichsten Ausläufer des Mauna-Loa-Rückens und kamen schließlich auf das Hochland oberhalb der Kona-Küste. Von unserem Aussichtspunkt gut dreihundert Meter über dem Meer konnten wir die leuchtendgrünen Flecken ausmachen, wo Kokospalmen den fruchtbaren Streifen Erde nahe den Ozeanklippen markierten. Ich sage Klippen, denn selbst aus dieser Entfernung konnten wir das wütende Tosen der Brandung erkennen, wo der aufgewühlte Pazifik auf die steilen, felsigen Gestade traf. Entlang des vielleicht zehn Meilen langen Küstenabschnitts, den wir einsehen konnten, waren nur einige wenige Strände und Buchten auszumachen; der größte Teil der Küste bestand aus Klippen, an denen kein Schiff oder Beiboot anlanden konnte. Irgendwo dort unten hatte die Whisters und die Stantons und die anderen Familien ihr schreckliches Schicksal ereilt. Diese Einblicke in die Landschaft erhaschten wir durch die aufsteigenden Wolken, die brodelnd aus dem Westen herüberquollen, bis sich ihre Ausläufer an dem mächtigen Vulkanmassiv hinter uns brachen.
    »Ich dachte, dies wäre die trockene Seite«, bemerkte Mr. Clemens lakonisch.
    »Das ist sie auch«, erwiderte Reverend Haymark, während das Wasser von seinem schmalkrempigen Hut tropfte. »Dieser Regen ist ganz außergewöhnlich für Juni.«
    »Seltsam, wie sich das Wetter immer das Außergewöhnliche zum Alltäglichen wählt«, murmelte der Korrespondent. Wir stiegen auf dem Weg weiter hinab, und die Wolken schienen mit uns abzusinken, so daß der Tag Stunden vor dem spätabendlichen Sonnenuntergang trüb und düster wurde.
    Wir erreichten ein bewaldetes Plateau etwa eine halbe Meile landeinwärts von den Klippen und kamen an einen Trampelpfad, der sich durch die Bäume und das dichtere Gestrüpp auf dieser Anhöhe schlängelte. »Dies ist der Hauptweg zwischen Kona und den Missionen in Kau und South Point«, erklärte Reverend Haymark und lenkte die Nase seines Pferdes nach Norden.
    »Sind wir bald da?« fragte ich, erschrocken darüber, die weinerliche Frage aller ungeduldigen Reisenden aus meinem eigenen Munde zu hören.
    »Noch acht oder zehn Meilen«, erwiderte der Geistliche und drehte sich in seinem Sattel um. »Ich fürchte, mit den müden Pferden und bei dem unfreundlichen Wetter werden wir das Missionsdorf nicht vor Einbruch der Nacht erreichen.«
    »Vielleicht ist das besser so«, bemerkte Mr. Clemens, und ich brauchte nicht lang, um zu erkennen, was er meinte. Wir wußten nicht, was uns dort erwartete. Wenn die Dorfbewohner noch immer auf

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