Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Augenblicke, würde er ihm all die Fragen stellen, die ihn innerlich bedrängten, und seine Qual vielleicht ein Ende haben. Mit allen Kräften und Sinnen stürzte er sich in dieses Vorhaben, versuchte es ein ums andere Mal und konnte nicht mehr davon lassen. Er brachte sich um den Schlaf, den Verstand und die Gesundheit, in einer endlosen Kette von Versuchen, die alle kläglich scheiterten.
Dabei befolgte er wortwörtlich alle Anweisungen, die aus Sennars Aufzeichnungen hervorgingen, aber nennenswerte Fortschritte blieben aus, und er verstand immer weniger, woran es lag. Zwar stieß er immer wieder zu den Toren des Jenseits vor, bis zu der Mauer, dieser nebulösen Grenze, die ihn von Ido trennte, konnte sie aber nie überwinden.
Erst als es ihn fast das Leben gekostet hätte, stellte er seine Bemühungen ein. Drei Tage lag er bewusstlos am Boden, umgeben von allen Dingen, die er für die Beschwörung gebraucht hatte, Kerzen, Glutbecken, Pergamentrollen. Und als er endlich wieder zu sich kam, erfasste ihn ein unbändiger Zorn, und er begann zu toben.
Alles fing Feuer, und er betete, dass es auch ihn verzehren möge wie das Haus seines Großvaters, mit all den Büchern und allem, was von dessen Leben übrig gewesen war. Und als er schließlich in den Trümmern stand, fasste er einen Entschluss. Es gab nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Alles, was ihm von Ido geblieben war, befand sich in seinem Quersack: eine Handvoll Erde.
San begann wieder rastlos umherzustreifen, gelangte bis zu den Siedlungen der Elfen und mischte sich unter sie. Dieses Volk hatte seine Großmutter getötet und das Leben seines Großvaters zerstört, und so sah er in ihnen die passenden Zielscheiben seiner Wut.
Gleichzeitig verfeinerte er seine Kampftechniken, studierte die Schwarze Magie und erfuhr von der Geschichte der beiden ewigen Gegner, Marvash und Sheireen.
Da ging ihm ein Licht auf. Doch er war noch nicht bereit, und eben deshalb wollte er den letzten Schritt noch nicht vollziehen, diesen Schritt, mit dem er alle Eigenschaften eines Marvashs ganz erfüllen und seine wahre Bestimmung finden würde.
Als seine Taten zu abscheulich und seine Opfer zu zahlreich wurden, sandte man ein ganzes Heer aus, um ihn zu fassen. Das gelang, man schleppte ihn nach Orva und warf ihn in den Kerker.
Beim Prozess verzichtete er auf eine Verteidigung und verhöhnte stattdessen den König und die Elfen. In der Menge, die ihn schmähte und beschimpfte, fiel San ein wunderschöner Jüngling auf, der ihn mit ernster Miene betrachtete, ohne ihn zu beleidigen oder zu bejubeln.
Am Abend vor seiner geplanten Hinrichtung besuchte ihn ebendieser Jüngling in der Zelle. Ohne Leibwache trat er ein, öffnete selbst die schwere Gittertür. Angesichts seiner glatten Haut und seines geschmeidigen Fleisches dachte San, dass es ein herrliches Gefühl sein müsse, ihn umzubringen.
»Bist du der Sohn des Königs?«, sprach er ihn an.
»Mein Name ist Kryss«, antwortete der andere mit undurchschaubarer Miene.
»Und hast du keine Angst, allein, ohne Begleitschutz, zu mir in die Zelle zu kommen?«
»Nein«, antwortete Kryss ohne jeden Anflug von Furcht in der Stimme. »Denn ein ruhmreiches Schicksal erwartet mich und mein Volk. Hier werde ich nicht sterben.«
San war beeindruckt. So weit es ihm seine Ketten
erlaubten, lehnte er sich zu ihm vor. »Bist du gekommen, um dir das Ungeheuer anzuschauen? Um den Grusel zu genießen, ein letztes Schwätzchen mit dem Mörder zu halten?«
»Auch da irrst du. Ich bin hier, um dir einen Vorschlag zu machen.«
Es war also dieser junge Königssohn, der San über sein eigenes Wesen aufklärte, der ihm verriet, dass er ein Marvash und sein Blutdurst Ausdruck seiner wahren Natur sei – ebenso wie seine besonderen Begabungen sowohl für den Kampf als auch die Magie. San versuchte erst gar nicht, diese Wahrheit zu bestreiten. Im Grunde seines Herzens hatte er es immer gewusst.
»Und warum erzählst du mir das? Morgen werde ich sterben. Was interessiert es mich da, wer ich wirklich bin.«
Kryss kam noch näher an ihn heran. »Ich habe einen Plan: Mein Volk lebt im Exil, einem Exil, das schon furchtbar lange währt und uns ausgezehrt hat. Ich will es nach Erak Maar zurückführen.«
»Und mit welchem Heer? Ihr seid der Gegenseite hoffnungslos unterlegen. Was du da vorhast, ist der Traum eines verwöhnten Prinzen.«
»Ich baue eine neue Armee auf, mit Kriegern, die mir bedingungslos ergeben und jederzeit bereit sind,
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