Die Feuertaufe
zu rächen. Schließlich war die Volksrepublik Haven vor einigen Jahren auf einen recht elegant angelegten Trickbetrug Charles’ hereingefallen.
Angesichts der Summe, die dieser Trickbetrug die Volksrepublik gekostet hatte, zweifelte Charles nicht daran, dass man alles daransetzen würde, seinen Tod möglichst langsam und qualvoll ausfallen zu lassen.
Die Wachen hatten Charles bereits vollständig entkleidet auf einen Tisch geschnallt, als der Verhörleiter zurückkehrte und sich kurz und unhörbar leise mit dem Mann unterhielt, der Charles in diesem Raum bereits erwartet hatte. Dieser Mann mit seinen schwarzen Handschuhen war zweifellos das havenitische Gegenstück zur Inquisition. Eine Minute später war ein gewisser Folterknecht ganz und gar nicht zufrieden mit sich und der Welt. Charles’ Fesseln wurden gelöst, dann wuchtete man ihn vom Tisch wieder herunter. Der Verhörleiter führte ihn den Korridor hinab in eine kleine Wachstube und deutete wortlos auf eine der Duschkabinen.
In der kleinen Nasszelle gab es sehnlichst vermisste Seife und einen sogar noch sehnlicher vermissten Rasierapparat. Charles machte von beidem ausgiebig Gebrauch, und als er kurze Zeit später in die Wachstube zurückkehrte, fühlte er sich wie neu geboren. Der Verhörleiter wartete bereits auf ihn, über dem Arm einen Satz frischer Haveniten-Kleidung, die er seinem Gefangenen wortlos entgegenstreckte. Charles zog sich an und wartete dann ab, während der Verhörleiter die neue Kleidung noch um zwei hübsche Accessoires ergänzte: Handschellen und Fußfesseln.
Der Vernehmer überprüfte noch kurz den Sitz der Handschellen, dann blickte er Charles unvermittelt geradewegs in die Augen. »Falls Sie uns anlügen«, sagte er mit düsterer, bedrohlicher Stimme, »wird nicht einmal Gott selbst Ihnen noch Gnade schenken.«
Dieses Mal war es an Charles, sein Gegenüber nur schweigend anzublicken. Einige Sekunden lang erwiderte der Verhörleiter diesen Blick wortlos, dann wies er mit dem Kinn ruckartig in Richtung Tür.
Fünf Minuten später saßen sie gemeinsam in einem blickdicht versiegelten Transporter und sausten über die Straßen der Hauptstadt hinweg.
Bürger Minister Oscar Saint-Just sieht heute ein wenig blass aus , dachte Charles, während er von den Palastwachen durch das gewaltige Büro des Diktators der Systemsicherheit geführt wurde. Aber vielleicht war das ja auch Saint-Justs natürliche Hautfarbe, und sämtliche Propagandafotos und HDs von ihm wurden regelmäßig ein wenig … optimiert. Ein Mann, der das gesamte HD-Material bezüglich der Hinrichtung eines gewissen manticoranischen Raumoffiziers hatte fälschen lassen, hatte sicherlich keinerlei Skrupel, sich selbst in der Öffentlichkeit ein wenig vorteilhafter darstellen zu lassen.
Ebenso wie der Verhörleiter bei der ersten Sitzung tat auch Saint-Just so, als bemerkte er Charles gar nicht, während der Gefangene vor den massigen Schreibtisch geführt und dann an einen davorstehenden Sessel gefesselt wurde. Im Gegensatz zu dem Stuhl im Gefängnis war dieser Sessel wenigstens bequem gepolstert.
Wortlos verließen die Wachen das Büro wieder, und ebenso wortlos arbeitete Saint-Just weiter. Ohne sich zu rühren, saß Charles dort und übte sich im Schweigen. Er wusste genau, dass sein Gegenüber das Wort ergreifen würde, wenn er der Ansicht war, der richtige Zeitpunkt dafür sei gekommen.
Zwei Minuten später war es endlich so weit.
»So«, sagte Saint-Just, schob seine Unterlagen beiseite und beäugte seinen Besucher. Der Verhörleiter von vorhin beherrschte den kalten, tödlichen Blick schon durchaus gut, doch Saint-Just stellte ihn mühelos in den Schatten. »Sie sind also hier, um um ihr Leben zu betteln.«
Klar und ohne Umschweife, ganz ohne Wortklaubereien oder Psychospielchen. Ziemlich genau das hatte Charles auch erwartet. »Eigentlich, Bürger Minister, bin ich hier, um Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen, das für uns beide von Vorteil wäre.«
»Ach, tatsächlich?«, gab Saint-Just zurück. »Und warum sollte ich Ihnen auch nur ein einziges Wort glauben? Deswegen?« Er öffnete eine Schublade und holte den Redactor hervor, den Charles Armond und Miklos so verlockend dicht vor die Nase gehalten hatte.
»Ein hübsches Spielzeug, nicht wahr?«, fragte Charles und schaltete automatisch auf seinen Verkaufsveranstaltungs-Modus um. »Damit kann man in jeden Sensorkanal beliebiges Bildmaterial einschleusen, ganz egal, was man …«
»Völlig nutzlos«,
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