Die Feuertaufe
Diplomatenmiene auf. »Ich hoffe sehr, dass Sie mich nicht zwingen, darauf zu bestehen.«
Charles blickte ostentativ zur Hüfte des Andermaners, als hätte er erst jetzt die kleine Ausbeulung entdeckt: eine verdeckt getragene Waffe.
Auch Mercier war bewaffnet. Wäre er bereit, seinen Pulser gegen den Diplomaten einer anderen Sternnation einzusetzen? Charles wusste es nicht, und er hatte nicht die Absicht, es auf die harte Tour herauszufinden. »Lassen Sie mich noch einmal alles zusammenfassen«, sagte er gedehnt. »Sie wollen nur, dass wir Ihnen dabei helfen, den Anderman-Terminus zu finden?«
»Nur das, sonst nichts«, versicherte ihm Weiss. »Sobald wir ihn gefunden haben, können wir selbst Kreuzer hindurchschicken und dieses Ding in aller Stille vermessen lassen.«
»Und Sie werden nicht von dem überzeugt sein, was ich Ihnen gesagt habe, bis genau das geschehen ist?«
»Drücken wir es anders aus«, gab Weiss zurück. »Solange wir nicht überzeugt sind, erhalten Sie kein Geld.«
Einen Moment lang blickte Charles ihn nur schweigend an. Dann atmete er tief durch und seufzte lange. »Also gut«, entschied er. »Aber bitte behalten Sie im Hinterkopf, dass Herr Mercier und ich dann ab jetzt für die Andermaner arbeiten. Und wir werden nach Stunden bezahlt.«
»Dann sollten wir wohl besser loslegen, nicht wahr?«, sagte Weiss und erhob sich. »Holen Sie Ihren Freund, schnappen Sie sich Ihre Datenchips und jeglichen persönlichen Besitz, den Sie mitnehmen wollen, und dann fangen wir an. Mein Wagen nebst Fahrer wartet bereits unten.«
Zu Charles’ Erleichterung spielte Mercier seine Rolle perfekt. Als Charles ihn zu sich rief, kam er die Treppe hinunter und übernahm sofort seine neue Funktion als Charles’ Kollege, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne jeglichen Ärger. Er ließ die ganze Scharade sogar noch ein wenig glaubwürdiger erscheinen, indem er Weiss berichtete, er habe dort oben Ausschau nach Leuten der SyS gehalten, die sich dort möglicherweise herumdrückten. Die Entscheidung, in das Andermanische Kaiserreich zu reisen, nahm er mit genau dem richtigen Maß an Überraschung auf und stimmte auch mit genau dem richtigen Maß an Zögerlichkeit zu.
Doch Charles ließ sich nicht täuschen. Innerlich kochte Mercier vor Wut, und Charles bezweifelte keineswegs, dass er das auch schon bald zu hören bekäme – in dem Augenblick, in dem er zum ersten Mal mit dem Havie alleine wäre.
Glücklicherweise würde das noch eine ganze Weile dauern. Im Wagen führte Weiss einige Ferngespräche auf Deutsch, und statt zurück zur andermanischen Botschaft zu fahren, brachte der Fahrer sie unmittelbar zum Raumhafen. Eine Diplomatenpinasse stand schon bereit. Der Pilot ließ ihnen kaum genug Zeit, sich in die Sessel sinken zu lassen, bevor das kleine Schiff auch schon abhob und zum Orbit aufstieg, in dem die drei Schiffe der Botschaft geparkt waren. Innerlich wettete Charles mit sich, dass sie das größere und deutlich luxuriöser ausgestattete Konsularschiff ansteuern würden. Diese Wette verlor er prompt, denn die kleine Pinasse ging stattdessen längsseits zu einem Kurierschiff. Anscheinend hatten Weiss und Botschafter Rubell entschieden, Geschwindigkeit sei hier wichtiger als Komfort.
Der Kommandant des Kurierschiffes hatte ebenfalls bereits die Startvorbereitungen eingeleitet, und weniger als eine Stunde später waren sie schon unterwegs: Mit beinahe sechshundert Gravos hielten sie auf die Hypergrenze von Haven zu. Sie hatten kaum die Umlaufbahn des Planeten verlassen, als Weiss zum Lunch bat. Zusammen mit ihrem Gastgeber setzten sich Charles und Mercier an einen erstaunlich und erfreulich reichhaltig gedeckten Tisch.
Charles aß völlig mechanisch; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem gekonnt beiläufigen Verhör, dem Weiss Mercier unterzog, und den ebenso beiläufigen und erstaunlich guten Antworten, die der Havie dem Andermaner gab. Entweder war der Colonel ein deutlich kompetenterer Agent der SyS, als Charles bislang begriffen hatte – ausgebildet darin, entsprechende Antworten spontan zu ersinnen und sie dann auch zu behalten –, oder er hatte die gesamte Zeit, seit sie das konspirative Haus verlassen hatten, damit verbracht, sich eine detaillierte, überzeugende Tarngeschichte zurechtzulegen.
Wie dem auch sei, Merciers Antworten schienen Weiss’ Neugier hinreichend zu befriedigen, sowohl was den »Manty« persönlich als auch dessen beruflichen Werdegang betraf. Als das Mittagessen beendet war,
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