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Die fiese Meerjungfrau

Die fiese Meerjungfrau

Titel: Die fiese Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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noch nicht verziehen. Sie hatten nicht mehr als eine Hand voll Worte miteinander gewechselt, aber Talias dämliches Grinsen sagte alles: Jetzt sind wir quitt!
    Konnte schon sein. Trotzdem würde es Molche und Schnecken hageln, wenn das hier vorbei war. Aber Schnees Verärgerung wich bald der Faszination, als sie Morveren bei der Arbeit zusah.
    Morverens Können übertraf selbst das von Schnees Mutter, auch wenn die Macht der Meerjungfrau geringer war. Morveren erinnerte sie an einen Miniaturenkunstschnitzer, der einmal ein Porträt ihrer Mutter aus Fischbein angefertigt hatte. Sein Messer hatte sich mit kleinen, sorgfältigen Strichen bewegt, von denen jeder ohne Zaudern auf den nächsten folgte. Morveren legte dieselbe Sorgfalt an den Tag, als sie ein Haar nach dem anderen über die Öffnung eines goldenen Trinkbechers legte und jedes mit einer weißen Wachsperle befestigte.
    »Was passiert mit ihnen?«, fragte Schnee.
    »Mit wem?«
    »Den Seelen, die du um ihrer Macht willen aufzehrst.«
    Morveren flocht ein weiteres Haar in das Netz. »Ich weiß es nicht. Ich benutze sie, bis ihre Stärke schwindet. Irgendwann stehlen sie sich fort. Ich mag den Gedanken, dass sie ihren Weg finden in die Welt, die sie erwartet, wie immer die auch aussehen mag.« Sie hob den Becher hoch und hielt ihn Schnee hin. »Gib acht! Zu viel Macht wird die Falle zerstören. Ich könnte ja mit dir kommen, um dir -«
    »Du bleibst hier!« Schnee nahm den Becher und beruhigte sich wieder. Ihr Sehvermögen hatte sich mit dem Schlaf etwas gebessert, aber noch immer tränten ihre Augen, wenn sie versuchte, sich auf feine Details wie die einzelnen Haare zu konzentrieren.
    Jedes dieser Haare war sorgfältig aus Beatrices Locken geschnitten worden. Morveren hatte sie benutzt, um damit ein breites Netz zu weben; ein Netz, das es Beatrice erlauben sollte, ungehindert zu passieren, während Gustan sich darin verfangen würde. Ein Loch in der Mitte sollte es dem Heft des Messers ermöglichen, im Becher zu ruhen.
    Schnee hielt den Atem an, weil sie fürchtete, das Netz in Unordnung zu bringen, als sie den Trinkbecher zur Tür trug. Durch diese Tür zu treten, war wie eine erdrückende Decke abzuschütteln. Es war nicht so, als könnte sie im Innern der Kapelle keine Zauberei anwenden. Sie hatte ein oder zwei Sprüche ausprobiert und hatte den Verdacht, mit der Unterstützung ihrer Spiegel Vater Isaacs Abwehrmaßnahmen überwinden zu können, wenn es sein musste. Aber selbst ihre erfolglosen Versuche hatten sie ausgelaugt und ihr einen hämmernden Schädel beschert.
    Die Kopfschmerzen kehrten zurück, als sie Macht in das Netz auf dem Trinkbecher webte. Sie spürte, wie die Haare wie die Saiten einer Laute vibrierten.
    »Deine Augen tränen.« Talia stand neben ihr und sah auf sie herab. Schnee hatte sie nicht kommen hören. »Du brauchst Ruhe.«
    »Bietest du mir an, zu übernehmen?« Schnee fuhr mit dem Finger über die Haare. Sie selbst hätte sie mühelos zerreißen können, aber was die gefangenen Seelen betraf, so waren die Bande stark wie Stahl - für Gustan jedenfalls.
    Vorausgesetzt, dass Schnee nicht zu viel Magie in die Falle hatte fließen lassen. Oder zu wenig. Und dass Beatrice noch stark genug war, zu fliehen. »Es ist fertig. Denke ich.«
    »Das ist alles?«, fragte Talia.
    »Zauberei geht nicht immer mit Rauch und Lichtern und Explosionen einher.«
    »Wenn man einige deiner Experimente betrachtet, sollte man das nicht meinen!«
    Schnee streckte ihr die Zunge raus und trug den Becher zurück in die Kapelle. Er fühlte sich schwerer an, und sie merkte, wie die Abwehrvorkehrungen auf ihre eigene Magie einstürmten, aber die Verzauberung befand sich schon am richtigen Platz. Sie bemühte sich, die Schmerzen in ihrem Schädel zu ignorieren, und trug den Becher zum Altar.
    »Gut gemacht«, sagte Morveren. »Siehst du? Eine zarte Berührung ist alles, was eine echte Hexe braucht. Du kannst -«
    »Bist du sicher, dass Gustan nicht entkommen kann?«, vergewisserte sich Schnee. »Wenn er Beatrices Körper findet, könnte er versuchen, ihn für sich selbst zu nehmen.«
    »Selbst wenn er eine fehlerhafte Stelle in dem Seelenbecher findet, wird er nicht in der Lage sein, eure Königin an sich zu nehmen. Wenn es so einfach wäre, Seele an Fleisch zu binden, hätte ich mir schon vor Jahren eine für mich selbst geholt. Wahrscheinlicher ist es, dass seine Gegenwehr sie töten und das vernichten würde, was noch von seinem Geist übrig ist.« Morveren ließ

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