Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
vergebe dir, mein Kind. Sag drei Ich bin a Schand auf und fahr im Urlaub nicht nach Eilat.‹ In mein Haus kommen die mir nicht.«
    »Und sie verbindet nichts weiter, als dass sie sich schämen, Juden zu sein?«
    »Mann!« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Das darfst du nicht sagen. Nein, sie schämen sich nicht nur für ihr Judentum, sondern für Israel, für Palästina, was auch immer.«
    »Also sind sie Israelis?«
    »Du weißt doch, dass Sam kein Israeli ist. Der würde nicht mal hinfahren nach Israel.«
    »Ich meinte die anderen.«
    »Alle kenne ich nicht, aber die Schauspieler, Komiker und sonstigen Mitglieder, von denen ich gehört habe, sind jedenfalls keine Israelis.«
    »Und wieso schämen sie sich dann? Wie kann man sich für ein Land schämen, wenn es nicht das eigene Land ist?« Treslove war ernstlich durcheinander.
    »Eben weil sie Juden sind.«
    »Aber du hast gesagt, sie würden sich nicht dafür schämen, Juden zu sein.«
    »Ganz genau. Aber sie schämen sich als Juden.«
    »Schämen sich als Juden für ein Land, dessen Bürger sie nicht sind …?«

    Wieder legte ihm Tyler eine Hand auf den Arm. »Sieh mal«, sagte sie, »was wissen wir denn schon? Um das begreifen zu können, müsste man schon einer von ihnen sein.«
    »Einer von ihnen? Ein ASCHandjidd?«
    »Ein Jude. Man muss wohl Jude sein, um zu begreifen, warum man sich dafür schämt, Jude zu sein.«
    »Ich vergesse immer, dass du keine Jüdin bist.«
    »Tja, bin ich nicht. Höchstens dank Adaption und großem Fleiß.«
    »Aber dafür schämst du dich wenigstes nicht.«
    »Ganz und gar nicht. Wenn überhaupt, dann bin ich stolz. Allerdings nicht auf meinen Mann. Für den schäme ich mich.«
    »Also schämt ihr euch beide.«
    »Ja, aber aus unterschiedlichen Gründen. Er schämt sich, weil er Jude ist, ich, weil er es nicht ist.«
    »Und die Kinder?«
    Tyler reagierte unwirsch. »Die studieren, Julian, schon vergessen? Also sind sie alt genug, eine eigene Meinung zu besitzen …, aber ich habe sie nicht als Juden erzogen, damit sie sich dann dafür schämen.« Sie lachte über ihre eigenen Worte. »Hör dir das an – habe sie als Juden erzogen.«
    Wieder wollte Treslove ihr sagen, dass er sie liebte.
    »Und?«, fragte er.
    »Und was?«
    »Und was sind sie?«
    »Eines ist, eines nicht, eines ist sich unsicher.«
    »Du hast drei?«
    Sie tat, als wollte sie ihn schlagen, wenn auch eher kraftlos. »Du bist derjenige, der sich schämen sollte«, sagte sie.
    »Ach, ich schäme mich schon, keine Sorge. Ich schäme mich für viele Dinge, nur haben die nichts mit Juden zu tun; es sei denn, ich sollte mich unseretwegen schämen.«

    Sie bedachte ihn mit einem langen Blick, einem Blick, der von Vergangenem redete, nicht von der Zukunft. »Bist du uns nicht langsam leid?«, fragte sie, als wollte sie das Thema wechseln. »Nicht uns beide, sondern die Juden. Hast du nicht langsam genug davon, dass wir ständig mit uns – sie ständig mit sich – beschäftigt sind?«
    »Von dir habe ich nie genug.«
    »Schluss damit und antworte mir – wünschst du dir nicht, sie würden endlich aufhören, von sich zu reden?«
    »Die ASCHandjiddn?«
    »Alle Juden. Die sich endlos in der Öffentlichkeit darüber kabbeln, wie jüdisch sie sein sollen, ob sie es überhaupt sein sollen oder nicht, ob sie praktizieren sollen oder nicht, ob sie Schläfenlocken tragen oder Schweinespeck essen sollen, ob sie sich hier sicher oder bedroht fühlen, ob die Welt sie hasst oder nicht, der verdammte Holocaust, das verdammte Palästina …«
    »Nein, kann ich nicht behaupten. Sam, vielleicht, ja. Wenn er über Palästina redet, habe ich immer das Gefühl, er rächt sich für irgendwas an seinen Eltern. Wie früher, wenn man als kleiner Junge geflucht hat – eine Herausforderung an Gott, dich zu erschlagen. Oder wenn man beweisen wollte, dass man schon zu den fluchenden Jungs gehörte. Aber das Politische verstehe ich nicht. Höchstens, dass wir uns lieber alle schämen sollten, wenn sich überhaupt wer schämen muss.«
    »Genau. Die Arroganz von denen – ASCHandjiddn, um Gottes willen, als würde die Welt nur darauf warten, was ihnen ihr Gewissen sagt. Das finde ich wirklich beschämend …«
    »Als Jüüüdin.«
    »Ich habe dich gewarnt, dieses Wort zu benutzen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Treslove, »aber es macht mich an.«
    »Trotzdem.«
    »Meine Jüdin«, sagte er, »meine schamlose Jüdin.« Er zog sie an sich und hielt sie fest. Sie fühlte sich in seinen Armen kleiner
an

Weitere Kostenlose Bücher