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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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Sicherheit etwas im Schilde, dieses Verhalten erinnerte Ardal zu sehr an sein eigenes. Ohne sich Eile anmerken zu lassen, beendete er das Essen so schnell wie möglich und stahl sich aus dem Speisesaal. Er musste unbedingt eine Nachricht für den Boten hinterlassen. Eine Geschichte wie die des verschwundenen Priesters konnte Gefahr für die Verbündete im Palast bedeuten. Wer weiß, wem oder welcher Sache der Priester auf der Spur gewesen war!
    Niemand begegnete Ardal, als er an der Küche vorbeilief, er hörte nur das Klappern und Klirren von großen Kesseln und Geschirr, dazwischen leises Gemurmel. In den oberen Stockwerken, in denen sich die Kammern der Priester befanden, herrschte Stille. Unbemerkt erreichte er die Treppe zum Dachboden. Dort angekommen war er außer Atem und musste sich kurz am Geländer festhalten. Der Wind trieb die Kälte durch die offenen Luken, die Jagdfalken saßen aufgeplustert in ihren Käfigen auf den Stangen. Ardal ging um eine Bretterwand herum und folgte dem sich anschließenden Gang an aufgetürmtem Gerümpel vorbei bis zum anderen Ende des Daches. Hier in den Verschlägen der Brieftauben war wie immer mehr Bewegung. Die Tiere liefen auf dem Boden herum und pickten eifrig in den Ritzen des Holzbodens nach Körnern. Er lauschte, doch nur das Gurren der Tiere war zu hören. Unter einem der Fenster löste Ardal eine Diele und holte ein aufgerolltes Stückchen Weidenrinde, einen ausgehöhlten kleinen Ast in derselben Länge und ein scharfes Messer hervor. Vorsichtig zog er die Rinde auseinander und ritzte winzige Zeichen in ihre Innenseite. Als er sie losließ, rollte sich die Rinde sofort wieder zusammen. Er schob sie in den kleinen Ast, dem man seinen Inhalt nur bei genauester Prüfung ansah. Ardal verstaute das Messer wieder im Versteck und ging zu dem Kasten, in dem das Korn aufbewahrt wurde. Er verharrte einen Augenblick und lauschte. Immer noch war alles ruhig. Geschwind kletterte er auf die Kiste, streckte sich und legte den Ast auf einen Balken schräg über ihm. Von unten war er nicht zu sehen, aber der Bote würde ihn finden. Ardal beeilte sich, wieder nach unten in die Schreibstube zu kommen. Die anderen würden inzwischen mit ihrer Mahlzeit fertig sein und über ihren Büchern sitzen.
    Etliche Stunden waren vergangen, die Priester saßen zum Gebet im Heiligtum versammelt und ihre Bediensteten arbeiteten fleißig in den Wirtschaftsräumen des angrenzenden Gebäudes, da flatterte hoch oben auf dem Dach eine Dohle durch eines der Fenster. Die Brieftauben beachteten sie nicht, für sie waren in diesem Moment wohl nur die letzten Reste ihres Futters wichtig. Die Dohle kreiste ein paar Mal über ihren Köpfen und ließ sich dann auf der Getreidekiste nieder. Kein Mensch schickte sich an, sie zu verscheuchen. Falkner oder andere Bedienstete ließen sich außerhalb der Fütterungszeiten selten an diesem Ort blicken. Es schien, als würde die Dohle das wissen, so gelassen wie sie den Kopf in alle Richtungen drehte. Schließlich breitete sie die Flügel aus und flog zu dem Balken hinauf. Neugierig betrachtete sie den kleinen Ast, bevor sie ihn mit dem Schnabel packte und davontrug. Niemand bemerkte den Vogel, der sich mit seinem Fund in den Himmel schwang und vermutlich ein Nest bauen wollte.
    Vier Stockwerke weiter unten blätterte Ardal in seinem Buch und verglich ein letztes Mal seine Einträge mit den Notizen auf den verschiedenen Zetteln. Ab und zu rechnete er eine Aufstellung nach, obwohl er genau wusste, dass sie fehlerfrei war. Schließlich hatte er bereits alles beim Übertragen geprüft. Doch es galt, Zeit totzuschlagen, bis auch der letzte der Schreiber die Stube verließ, um sich zur wohlverdienten Nachtruhe zurückzuziehen. Dann hatte er die Freiheit, ungestört die uralten Schriften nach Hinweisen zu durchstöbern. Auch heute widmete er sich zuerst den Papieren, entnahm ihnen aber nichts Vielversprechendes. Manche der gesammelten Aufschriebe waren so alt, dass er befürchtete, sie würden zu Staub zerfallen, sobald er die Schnüre der Bündel löste. Noch vorsichtiger behandelte er die wesentlich älteren Pergamentrollen und hielt jedes Mal unwillkürlich den Atem an, wenn er sie auseinanderzog. Selten las er Neues. Änderten sich die Schriftbilder über die Jahrhunderte, blieb der Inhalt meist derselbe: Listen von Einnahmen und Ausgaben der Priesterschaft sowie Berichte über Untaten der Dämonen, in denen natürlich auch die Heldentaten der Menschen erwähnt wurden, die

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