Die Flammen der Dunkelheit
nicht das erste Mal, dass sie beide sich in einer solchen Lage wiederfanden. Glic hatte ein loses Mundwerk und pflegte seine Kameraden mit Sticheleien gegen sich aufzubringen. Aber vor allem liebte er es, ihnen Streiche zu spielen, die die anderen überhaupt nicht lustig fanden. Trotzdem konnte er es nicht lassen, Ärmel und Hosenbeine zu verknoten oder allerhand Getier in Bettzeug, Taschen und Stiefel zu füllen. Regelmäßig konnte man auch barfüßige fluchende Soldaten auf der Suche nach ihrem Schuhwerk beobachten. Es war Glics Art, gegen die geforderte strenge Disziplin zu rebellieren, die seinem Bedürfnis nach Freiheit widersprach. Nachdem er endlich dem Erdloch entronnen war, wollte er sich durch nichts mehr einschränken lassen, obwohl er an jenem Ort noch bereit gewesen war, alles auf sich zu nehmen, um ihm zu entkommen. Vielleicht trug auch mit dazu bei, dass er sich auf Dorcs Hilfe verlassen konnte. Wortlos stand dieser jetzt da, mit vor der Brust verschränkten Armen, und starrte die Aufgebrachten finster an. Seine bloße Anwesenheit ließ sie verstummen. Sie fürchteten sich vor ihm, nicht nur wegen seiner Stärke, sondern weil er selbst ohne Furcht war. Bei allem, was er tat, war zu spüren und zu sehen, dass er sogar sein Leben aufs Spiel setzen würde, um Glic zu retten. Jede Auseinandersetzung mit ihm konnte Folgen haben, die kein Mensch anfangs zu überblicken vermochte, sie hatten es oft genug erlebt. Glücksspiel war den Soldaten verboten, und sie hatten sowieso ihre liebe Mühe, den Vorgesetzten die Verletzungen und gebrochenen Knochen zu erklären, die Dorc in seiner Raserei verursachen konnte. So zogen sie sich wieder einmal vorsichtig zurück. Ein breites Grinsen legte sich über Glics Gesicht, während er die Münzen einsammelte. Dorc schüttelte nur den Kopf, verkniff sich aber Vorwürfe. Er wusste, dass dies nicht der letzte Zwischenfall dieser Art sein würde, und fragte sich, wann der mit dem Feuer spielende Freund endlich seine Lektion lernte.
Dies schien früher als erwartet einzutreffen. Glic wunderte sich nicht, dass seine Kameraden häufiger spielen wollten, ihnen war die kleinste Ablenkung von ihrer langweiligen Arbeit recht. In jeder Pause setzten sie sich zusammen und holten die Karten hervor. Natürlich war Glic immer mit von der Partie. Er hatte so großes Vertrauen in seine Fähigkeiten und so viel Freude an seinen Tricksereien, dass er nie auf die Idee kam, es könnte mehr hinter der plötzlichen Spielwut stecken. Die anderen aber hatten ein Ziel vor Augen und eine bestimmte Absicht. Sie wollten sich nicht länger übers Ohr hauen und schröpfen lassen. Deshalb verstärkten sie ihre Aufmerksamkeit, ja sie stellten extra Männer als Zuschauer ab, die nichts weiter taten, als den Verdächtigen zu beobachten, und es gelang ihnen tatsächlich etliche Tage später, Glic auf frischer Tat zu ertappen. Diesmal waren sie schlau genug zu warten, bis Glics Beschützer außer Sicht- und Hörweite war, um sich den Falschspieler zu greifen und ihn zu verprügeln. Als Dorc ihn schließlich auf dem Boden zusammengekrümmt fand, hatten sich die Täter längst aus dem Staub gemacht. Er war nur ein wenig überrascht, hatte er es doch seit Langem kommen sehen, er wunderte sich mehr über Glics Freude am Betrug, die ihn offensichtlich alle Vorsicht vergessen ließ.
»Warum tust du das?«, wollte Dorc wissen, während er Glic das Blut aus dem zerschlagenen Gesicht wischte. Dieser zuckte mit den Schultern und stöhnte.
»Weil ich es kann, vermutlich«, nuschelte er durch die aufgeplatzten Lippen.
»Du kannst es nicht!«, brummte Dorc und drückte den Lappen etwas fester auf die Prellungen. »Sonst würdest du kaum so aussehen.«
»Aua!«, protestierte Glic.
Ungerührt fuhr Dorc mit seiner Hilfeleistung fort. »Außerdem bringst du uns in Gefahr. Ist dir das nicht klar?«, fragte er leise. Als Glic den Kopf schüttelte, drehte Dorc sich in sämtliche Richtungen, um sich zu vergewissern, dass sie alleine waren. Der Schlafsaal war leer, ihre Kameraden hatten sich vorsichtshalber verzogen. Dorc fuhr noch leiser fort: »Wir erregen viel zu viel Aufmerksamkeit. Irgendwann werden sie sich ernsthaft fragen, warum du so unmenschlich geschickt bist und ich so viel stärker als alle anderen bin. Der Preis, den wir dann für deine Spielereien zahlen, wird hoch sein!«
Betroffen schaute Glic ihn aus dem einen Auge an, das noch nicht zugeschwollen war. Es war ganz deutlich, dass es ihm bisher nie in den
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