Die Flammen der Dunkelheit
überallhin gefolgt, aber Dorc blieb misstrauisch. Ein Blick auf die Dämonen, die ihn wie eine Mauer umringten, zeigte ihm, dass er keine Wahl hatte. Er legte das Schwert auf den Boden und ging hinter Glic her, der bereitwillig Pfeile und Bogen abgeworfen hatte. Das Messer ließ Dorc im Gürtel stecken, und er war erstaunt, dass niemand protestierte. Noch viel überraschter war er, als die Frau vor der Felswand den dichten Behang aus Schlingpflanzen beiseiteschob und den Eingang einer Höhle freilegte.
Drinnen angelangt merkte er, dass es eine ganz besondere Höhle war. Nirgends war Fels zu sehen, grüne Gespinste bedeckten die Wände, die sich bei näherem Hinschauen als zart gewebte Stoffe aus einem feinen glänzenden Garn entpuppten. Es war das gleiche Garn wie das von Lasairs Kleid, nur nicht so dicht.
Das kann keine Wolle sein, dachte Glic verwundert. Er fand es lustig, dass sich die Wandbehänge in einer sanften Brise bewegten, obwohl nirgends ein Luftzug zu spüren war. Der Boden war mit verschieden getönten marmornen Platten in gewundenen Mustern ausgelegt, und wenn man diese grauen und weißen Bänder mit zusammengekniffenen Augen betrachtete, konnte man meinen, auf einem Fluss zu wandeln. Dann fiel ihm auf, dass keine Schritte zu hören waren, stattdessen erklang ein gedämpftes Zwitschern und Rauschen, manchmal auch ein Wispern oder das Klingeln von kleinen Glöckchen. Im Vorbeigehen ließ er seine Finger über den Stoff gleiten und war überrascht, wie glatt und kühl er sich anfühlte. Noch verwunderter war er, als er bemerkte, dass sich dessen Farben und Struktur ständig veränderten. Hatte er anfangs den Eindruck gehabt, durch einen dichten Wald zu gehen, so wurden sie jetzt von sonnenüberfluteten Feldern begleitet, die nach einer längeren Wanderung ins Meer mündeten, als sie an einen runden Platz gelangten, von dem aus sich der Gang in mehrere verzweigte. Für einen Augenblick hatte er wirklich geglaubt, wieder draußen und am Strand zu sein. Doch auch dies waren nur Stoffe, die hier, dem Boden gleich, ein fließendes Gewässer vorgaukelten. Diese Sinnestäuschung wurde durch ihre wellenförmigen Bewegungen und durch muschelförmige Becken und Brunnen verstärkt, in denen es munter plätscherte. Bänke luden zum Sitzen ein und Glic wäre für sein Leben gerne dort geblieben. Lasair schien dies zu spüren, denn sie wartete eine Weile und gab den beiden die Möglichkeit, sich in Ruhe umzuschauen.
Glic stieß Dorc an und zeigte nach oben. »Hast du das gesehen?«, flüsterte er. Die Decken waren überall in wechselnde Blautöne gehüllt, um den Anschein des Himmels zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten zu vermitteln. Man hatte überhaupt nicht das Gefühl, tief im Bauch der Erde zu sein, kein Fels drückte aufs Gemüt, alles war weit und licht. Die beiden staunten wie Kinder und fühlten sich in eine Welt voller Wunder versetzt.
Ardal hat uns nicht gesagt, dass die Dämonen solche schönen Dinge machen können, dachte Glic, aber vielleicht war der Schreiber nie hier gewesen. Als die beiden sich sattgesehen hatten, ging es weiter, vorbei an sanft geschwungenen Hügeln, die von leuchtend bunten Blumen überzogen waren. Glic meinte, Pferde grasen zu sehen, und über ihnen sang eine Lerche ihr Lied. Er hätte am liebsten mit eingestimmt, so leicht und glücklich fühlte er sich. Dorc erging es ähnlich, und zum ersten Mal empfand er sein Dämonenerbe nicht als Fluch und übergroße Last, sondern als ein Geschenk.
Die Hügel wurden nach und nach von Bäumen bewachsen, bis sie wieder von einem Wald, dichter noch als der vom Eingang, umgeben waren. Hier herrschte ein geheimnisvolles Dämmerlicht, und sie meinten, Tiere umherhuschen zu sehen. Es roch nach feuchtem Moos, Pilzen und dem betäubenden Duft weißer Lilien. Sie kamen zu einem weiteren runden Platz, von dem viele Wege abzweigten. Plötzlich sahen sie direkt gegenüber eine Tür vor sich, die einen der Gänge versperrte.
»Sie führt in unseren Versammlungssaal«, erklärte Lasair, die die fragenden Blicke der beiden bemerkt hatte. »Hier werdet ihr auf Aithreo treffen, der die Geschicke unseres Volkes lenkt.« Es schien, als wollte sie noch etwas hinzufügen, doch dann öffnete sie einfach die Tür und bedeutete ihnen, in die dahinter liegende riesige Halle einzutreten. Sie war voller Dämonen, Männer und Frauen, die sich an den Wänden entlang aufgestellt hatten. Erstaunt sahen die beiden Freunde, dass die Schleier, die die Wände des
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