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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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an Felsen, steht im Unterholz, aber ich schaue einfach weg und stapfe weiter.
    Und dann sehe ich, wie unter mir die Straße den Fluss kreuzt. Die Landschaft wackelt so sehr, dass mir übel wird, aber dort unten ist zweifellos eine Brücke und sie führt ans andere Ufer.
    Für einen kurzen Moment muss ich an die Weggabelung in Farbranch denken und an die Straße, der wir nicht gefolgt sind. Ich frage mich, in welche Wildnis sie wohl geführt hat. Von der Anhöhe aus blicke ich nach rechts, aber so weit das Auge reicht, erstrecken sich nur noch mehr Wälder und Hügel, die schwanken, wie Hügel nicht schwanken sollten. Ich muss für eine Minute die Augen schließen.
    Wir machen uns auf den Weg nach unten, langsam, viel zu langsam, die Witterung führt uns zu der Brücke, eine hohe, schwankende Brücke mit einem Geländer an beiden Seiten.Dort, wo die Straße in die Brücke mündet, hat sich Wasser angesammelt, überall sind Pfützen und Schlamm.
    »Ist er über den Fluss gegangen, Manchee ?« Ich stütze mich mit den Händen auf den Knien ab, um Atem zu schöpfen und zu husten.
    Manchee schnüffelt am Boden wie ein Besessener, von einer Seite zur anderen und wieder zurück, sucht bis zur Brücke, von dort wieder bis zu mir. »Wilfgeruch«, bellt er. »Karrengeruch.«
    »Aber da sind keine Wagenspuren.« Ich reibe mir mit den Händen übers Gesicht. »Was ist mit Viola?«
    »Viola!«, bellt Manchee. »Dorthin!«
    Er läuft von der Straße weg, bleibt aber in Flussnähe. »Braver Hund«, keuche ich abgehackt. »Braver Hund.«
    Ich folge ihm über Stock und Stein, wir sind dem Flusslauf so nahe wie seit Tagen nicht mehr.
    Und dann stolpere ich mitten in eine kleine Siedlung.
    Wie vom Donner gerührt bleibe ich stehen und fange vor Überraschung gleich wieder an zu husten.
    Der Ort ist völlig zerstört.
    Von den acht bis zehn Häusern sind nur noch verkohlte Balken und Asche übrig und nirgendwo ist auch nur der leiseste Lärm zu hören.
    Erst vermute ich, dass die Armee hier gewesen sein muss, aber dann sehe ich, dass es zwischen den ausgebrannten Gebäuden schon wieder zu grünen beginnt und kein Rauchkringel von einem Glutherd aufsteigt und der Wind durch die Siedlung streicht wie durch eine Totenstadt. Ich blicke mich um und sehe ein paar verfallene Bootsstege am Fluss gleich unterhalb der Brücke, in der Strömung schlägt ein einsames,altes Boot gegen die Planken. Halb am Ufer, halb im Fluss stapeln sich weitere ramponierte Boote in der Nähe eines Gebäudes, das früher vielleicht eine Mühle war, ehe es zu einem Haufen verkohlten Holzes wurde.
    Alles ist kalt und längst verlassen. Noch ein Ort in New World, der es nicht bis zum Selbstversorger-Anbau gebracht hat.
    Ich drehe mich um und da steht Aaron.
    Sein Gesicht sieht so aus wie damals, als die Krokodile es zerfleischt haben, mit klaffenden Wunden, seine Zunge hängt zu einem Loch in der Wange heraus.
    Er grinst.
    »Komm zu uns, kleiner Todd« , sagt er. »Die Kirche steht immer für dich offen.«
    »Ich bringe dich um«, sage ich. Der Wind weht meine Worte davon, aber ich weiß, dass Aaron mich hört, denn auch ich kann jedes seiner Worte hören.
    »Das wirst du nicht.« Er kommt auf mich zu, die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Denn ich sage dir, du bist kein Mörder, Todd Hewitt. «
    »Lass es nicht darauf ankommen.« Meine Stimme klingt ganz fremd und metallisch.
    Er grinst wieder, seine Zähne blitzen durch das Loch in seiner Wange hervor, und ehe ich michs versehe, steht er direkt vor mir. Er greift sich mit den blutenden Händen an den Kragen und reißt ihn so weit auf, dass ich seine entblößte Brust sehe.
    »Das ist die Gelegenheit für dich, Todd Hewitt, um vom Baum der Erkenntnis zu essen.« Seine Stimme dröhnt in meinem Kopf. »Töte mich.«
    Der Wind lässt mich frösteln, aber gleichzeitig ist mir heiß. Ich schwitze und bekomme fast keine Luft mehr. Mein Kopf schmerzt so sehr, dass auch kein Essen mehr dagegen hilft, und wenn ich meinen Kopf schnell drehe, dann muss sich alles, was ich sehe, beeilen, damit es schnell wieder an seinen Platz kommt.
    Ich beiße die Zähne zusammen. Ich glaube, ich sterbe. Aber er wird zuerst sterben.
    Ohne auf die Schmerzen in meiner Schulter zu achten, greife ich hinter mich und ziehe das Messer aus dem Futteral. Frisches Blut glänzt daran, es blitzt im Sonnenlicht, obwohl ich im Schatten stehe.
    Aaron setzt ein Grinsen auf, das breiter ist als sein Gesicht. Ich richte das Messer gegen ihn.
    »Todd?«, bellt

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