Die Formel der Macht
sie trocken.
Obwohl sie eigentlich vorgehabt hatte, bis spät abends zu arbeiten, fühlte sich Summer angesichts der vielen Fragen, die sie nicht wahrheitsgemäß beantworten konnte, bedrückt. Deshalb war sie froh, als irgendwann Bill Ogilvie von der
New York Times
anrief. Er erzählte ihr, dass die Polizei im Mordfall da Pereira eine Verhaftung vorgenommen hatte und deutete an, dass er nicht glaubte, dass diese Verhaftung das Ende der Geschichte war.
Natürlich war Summer begierig auf Einzelheiten, auch wenn sie langsam anfing zu akzeptieren, dass sie, wenn das FBI Joe nicht fand, wahrscheinlich nie erfahren würde, was mit ihm passiert war. Trotzdem war die Aussicht, mehr über Fernandos Ermordung zu erfahren, eine Gelegenheit, die sie sich unter keinen Umständen entgehen lassen konnte. Deshalb erklärte sie sich bereit, sich um fünf mit Bill im
Finnegan's
, einer Bar auf der Third Avenue, zu treffen, die ein beliebter Treffpunkt für Journalisten war.
“Ich bin mit Bill Ogilvie verabredet”, sagte sie wenig später zu dem Barkeeper. “Kennen Sie ihn? Ist er schon da?”
“Ja, direkt neben Ihnen.” Ein rothaariger Mann Anfang vierzig ließ sich auf dem Barhocker neben ihr nieder und streckte ihr mit einem entspannten freundlichen Lächeln die Hand entgegen. “Rita Marcil hat mir erzählt, dass Sie Ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten sind, nur ein bisschen hübscher. Sie hatte mit beidem recht.” Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen. “Da Sie nicht für mich arbeiten, kann ich das zum Glück ja sagen.”
Wenn Bill Ogilvie mich davon überzeugen will, dass er so ein lässiger Typ ist, sollte er mich besser nicht so betont beifällig mustern, dachte Summer. Doch da sie jetzt nichts mehr vor ihm zu verbergen hatte, machte ihr seine eingehende Musterung nichts aus. “Haben Sie sich schon etwas zu trinken bestellt?”, fragte sie. “Wenn nicht, was darf ich Ihnen bestellen?”
“Danke, aber ich habe den einen Bourbon, den ich mir pro Abend genehmige, schon zur Hälfte ausgetrunken.” Bill deutete mit dem Kopf auf einen Tisch in der Ecke des Raums. “Ich sitze da drüben. Sagen Sie mir, was Sie trinken wollen, dann bringe ich es rüber. Die Rechnung geht auf mich.”
“Danke. Dann hätte ich gern ein Glas Weißwein, bitte. Einen Sauternes, wenn sie haben und wenn nicht, einen Chardonnay.”
Nur wenig später kam Bill mit ihrem Wein an den Tisch. “Ein Sauternes, wie gewünscht. Ich muss in einer Stunde wieder in der Redaktion sein, deshalb schlage ich vor, dass wir gleich zur Sache kommen. Ich erzähle Ihnen, was wir morgen über den Mord bringen. Obwohl es offen gestanden nichts Aufregendes ist. Die Polizei hat einen Mann namens Arturo Branco festgenommen und beschuldigt ihn, Fernando da Pereira erschossen zu haben.”
“Schnelle Arbeit”, bemerkte Summer. “Wie haben sie ihn gefunden?”
“Sie haben einen Tipp bekommen, der sie direkt auf Arturos Spur geführt hat. Er ist brasilianischer Staatsbürger, der in seinem Heimatland ein ellenlanges Strafregister hat und mit einem verlängerten Touristenvisum in Brooklyn lebt.”
“Hat die Polizei etwas über sein Motiv verlauten lassen?”
“Geld”, sagte Bill lakonisch. “Sie sagen, dass er ein gedungener Killer ist.”
“Wenn das so ist, wer hat ihn dann bezahlt?”
“Ah, die 64.000-$-Frage.” Bill trank einen Schluck von seinem Bourbon und lehnte sich gegen die Wand. “Einer meiner Informanten bei der Polizei behauptet, dass Arturo von denselben Leuten aufs Kreuz gelegt wurde, die ihn für den Mord angeheuert haben, aber ich habe keine Ahnung, wer sie sind. Meinem Informanten zufolge hat Arturos Auftraggebern die Richtung der Ermittlungen nicht gepasst, woraufhin sie beschlossen haben, kurzen Prozess zu machen.”
“Nicht gerade die Art von Auftraggeber, die man sich wünscht, wenn man sich seinen Lebensunterhalt mit Töten verdient”, sagte Summer.
Bill lachte trocken auf. “Da haben Sie recht.”
“Sucht die Polizei denn nach diesen Auftraggebern? Oder wird die Akte jetzt geschlossen, nachdem sie denjenigen, der abgedrückt hat, haben?”
“Darüber schweigen sie sich aus.”
“Aber Sie wissen, was sie vorhaben?”
Bill klimperte mit den Eiswürfeln in seinem Glas. “Schön, Summer, lassen Sie uns realistisch sein, okay? Rita ist eine gute Freundin von mir, und ich würde Ihnen wirklich gern helfen, aber ich muss meinen Job machen, und mein Bonus am Ende des Jahres würde um einiges gesünder
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