Die Formel der Macht

kontraproduktiv, zweimal über dieselben Punkte zu reden. Lassen Sie mich zusammenfassen, wie ich die Sache sehe. Wir schöpfen alle Möglichkeiten, die die Regierung hat, aus, in der Hoffnung, dass wir meine Tochter finden. Davon abgesehen sind wir in der glücklichen Lage, dass wir, falls wir keine Spur von ihr entdecken, immer noch über ihre Freilassung verhandeln können. Joseph Malone ist bis jetzt noch nicht rechtskräftig verurteilt. Sie haben alle gehört, dass uns der Generalstaatsanwalt gestern versichert hat, dass die Anklage gegen Dr. Malone unter gewissen Umständen fallen gelassen werden kann. So etwas geschieht ständig, aus den verschiedensten Gründen. Und wenn Joseph Malone nicht wegen Kokainschmuggels angeklagt wird, haben wir freie Hand und können über einen Austausch …”
    Der FBI-Chef stand ebenfalls auf. “Bevor wir diesen Weg weitergehen, muss ich zuerst mit Joseph Malone sprechen. Mir scheint, das ist im Moment das Wichtigste.”
    “Dem kann ich nur zustimmen”, sagte Gordon. “Obwohl Malone vielleicht nicht zur Zusammenarbeit mit uns bereit ist, oder was meinen Sie?”
    “Wir sollten besser beide Daumen drücken, dass er es ist, denn zwingen können wir ihn nicht”, warf Julian Stein grimmig ein.
    Gordon ließ sich zurück auf seinen Stuhl sinken. “Sie wollen damit doch gewiss nicht sagen, dass wir, wenn Malone sich weigert, ausgetauscht zu werden, Däumchen drehen und darauf warten müssen, dass die Gerechtigkeitsliga meine Tochter exekutiert?”
    “Keine Sorge, ich glaube nicht, dass es dazu kommt.”
    Julian Stein zögerte, dann gab er sich einen offensichtlichen Ruck, indem er tief Luft holte. “Verzeihung, Herr Minister, aber es gibt da noch einen anderen Aspekt bei der Entführung, den ich offen ansprechen muss. Die Tatsache, dass Ihre Tochter Joseph Malone persönlich gut kennt … dass sie letzten Herbst mit ihm in Brasilien Urlaub gemacht hat …”
    “Ich sehe den Zusammenhang nicht”, sagte Gordon eisig.
    Julian Stein wich seinem Blick aus. “Ich glaube, dass Sie im Moment als Miss Shepherds Vater sprechen, Herr Minister, und nicht als ein hochrangiges Kabinettsmitglied der Regierung der Vereinigten Staaten. Die Freundschaft Ihrer Tochter mit Joseph Malone ist ein Faktor, den wir nicht übersehen dürfen, wenn wir entscheiden, wie wir am besten mit dieser hochsensiblen Situation umgehen. Frei heraus gesagt gibt es da die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass Ihre Tochter kein ganz unschuldiges Opfer …”
    Gordon Shepherd sprang wieder auf. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen vor Zorn, und er reckte sich zu seiner vollen Größe von einssechsundachtzig. “Ich kann es nicht glauben, dass Sie das unterstellen, was Sie eben unterstellt haben, Herr Direktor. Die Tatsache, dass meine Tochter zusammen mit Tausenden anderer Studenten an derselben Universität studiert hat wie Joseph Malone …”
    “Und mit ihm im vergangenen Herbst in Brasilien Urlaub gemacht hat …”
    “Nein, Herr Direktor. Sie hat ihn lediglich als Führer mitgenommen. Was eine vernünftige Entscheidung von ihr war, denn er spricht neben Englisch die Landessprache fließend und ist bestens über die Gegend informiert. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie eine Komplizin bei ihrer eigenen Entführung ist.”
    Julian Stein lag eine hitzige Bemerkung auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte, und das sollte seiner Meinung nach fürs Erste eigentlich genügen. “Im Augenblick bin ich noch dabei, Informationen zu sammeln, ohne Schlüsse zu ziehen, Herr Minister. Aber es ist meine Aufgabe, alle Fakten sorgsam im Auge zu behalten, bevor wir mit diesen Entführern möglicherweise übereilt in Verhandlung treten. Und da ich Miss Shepherd im Moment nicht fragen kann, muss ich mit Joseph Malone sprechen, um so viel wie möglich über seine Beziehung zu Ihrer Tochter und seine Verbindung zu der brasilianischen Gerechtigkeitsliga herauszufinden.”
    Die Zornesröte hatte sich wieder von Gordons Wangen verflüchtigt. “Und wenn Malone … wenn er behauptet, dass er etwas mit Summer hat? Werden Sie auf das Wort eines Drogenschmugglers etwas geben? Auf das Wort eines Mannes, der freiwillig ins Exil gegangen ist und die letzten Jahre als Anführer einer Gruppe verbracht hat, die nicht viel mehr ist als eine Bande von Terroristen?”
    “Nein, Herr Minister. Ich werde Joseph Malone nicht glauben, ohne alles, was er sagt, sorgfältig überprüft zu