Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
wurde verlegen und zögerte mit der Antwort. Das Thema war heikel, und Salagnons Ton vielleicht ein wenig provozierend. Seine kühlen blauen Augen versuchten die des Priesters zu durchdringen. Die Pfadfinder drängelten sich um den Ofen, dessen dürftiges Feuer kaum Wärme spendete.
»Na gut. Da das Spiel zu Ende ist, können wir ja eine Weile hierbleiben. Schicken Sie die Gefangenen los, um Feuerholz zu holen, als Strafe dafür, dass sie verloren haben. Unterhalten Sie das Feuer und setzten Sie sich im Halbkreis vor den Ofen. Wir werden ein paar Geschichten erzählen. Ich schlage vor, wir berichten auf angemessene Weise von den Heldentaten des Feldherrn Salagnon. Mit Versen zu seinem Ruhm und epischer Untermalung. Das veröffentlichen wir dann in der Pfadfinderzeitung, und er selbst fertigt die Illustrationen zu dieser Schlacht mit schwungvollem Pinselstrich an. Denn ein Held muss nicht nur gewinnen, sondern auch seinen Sieg erzählen können.«
»Wie Sie wünschen, ehrwürdiger Vater«, sagte Salagnon in ironischem oder bitterem Tonfall, das wusste er selbst nicht so genau; dann benannte er die Aufgaben, bestimmte die Gruppen und überwachte die Durchführung. Bald loderte ein knisterndes Feuer auf.
Draußen wurde das Tageslicht allmählich schwächer. Im Park wurde es schneller dunkel als anderswo in der Stadt. Der Ofen bullerte, durch die offene Ofentür sah man die glitzernde Glut, die zuckend aufleuchtete wie die Oberfläche eines Sterns. Die Pfadfinder saßen eng zusammengerückt auf dem Boden und hörten den Geschichten zu, die einige von ihnen erfanden. Schulter an Schulter, Schenkel an Schenkel genossen sie vor allem die Wärme, die sie alle gemeinsam erzeugten. Sie überließen sich einfachen Träumen, die von der elementaren Wahrnehmung der Gruppe, der Ruhe und der Wärme kamen. Salagnon langweilte sich, aber er mochte diese kleinen Pfadfinder gern. Die Schatten des Feuerscheins auf ihren Gesichtern ließen ihre weit aufgerissenen Augen, ihre gerundeten Wangen und ihre fleischigen Kinderlippen hervortreten. Er dachte, dass die Pfadfinderbewegung zwar eine bewundernswerte Einrichtung ist, siebzehn Jahre aber ein seltsames Alter dafür, noch solche Spiele zu spielen. Sein Klassenlehrer schätzte ihn. Er könnte auch Priester und Leiter der Pfadfinder werden, sich um Kinder kümmern, sich der folgenden Generation widmen, die vielleicht dem Schicksal seiner Generation entgehen würde. Er könnte wie dieser Mann werden, der mit seligem Lächeln bei ihnen saß, Schulter an Schulter mit den beiden größten Jungen, die Arme um seine in eine Soutane gehüllten Knie geschlungen. Aber der Schimmer, den er manchmal in den Augen des Mannes wahrnahm, brachte ihn von dieser Idee ab. Er hatte keine Lust, den Platz dieses Mannes einzunehmen. Aber welchen Platz konnte er 1943 in Frankreich einnehmen?
Er tat das, um das man ihn gebeten hatte: Er fertigte Zeichnungen für die Pfadfinderzeitung an. Das bereitete ihm Vergnügen, man lobte sein Talent. Auch das gehört zum Zeichnen: sich selbst einen Platz zuteilen, der einem Vergnügen bereitet, ihn selbst begrenzen und mit seinem ganzen Körper ausfüllen; und zudem noch Komplimente dafür erhalten. Aber er war sich nicht sicher, ob ein Mensch sich sein ganzes Leben lang mit dem Raum eines Zeichenblatts begnügen kann.
Die Kontrolle fand statt. Sie kamen an einem Abend zu viert, wie Besucher; ein gleichgültiger Offizier marschierte an der Spitze, weil er größere Schritte machte als die anderen; dann kam ein in Mantel und Schal gehüllter Beamter der Präfektur, der den Hut tief ins Gesicht gedrückt hatte und eine Aktentasche aus weichem Leder in der Hand trug; ihnen folgten im Gleichschritt zwei Soldaten mit geschultertem Gewehr.
Der Offizier salutierte, schlug dabei die Hacken zusammen, nahm aber die Schirmmütze nicht vom Kopf. Er war im Dienst und entschuldigte sich dafür. Der Beamte drückte Monsieur Salagnon ein wenig zu lange die Hand, legte dann den Mantel ab, behielt den Schal um und öffnete die Aktentasche auf dem Tisch. Man brachte ihm die Rechnungsbücher. Ein Soldat blieb mit geschultertem Gewehr vor der Tür stehen, während der andere in den Lagerraum ging, um die Regale zu inspizieren.
Er stand hoch oben auf der Trittleiter, umwirbelt von braunem Staub. Er las die Etiketten und rief Zahlen auf Deutsch. Der Beamte ließ seinen Füller neben Rechnungsspalten hergleiten und stellte präzise Fragen, die der Offizier in seine rohe Sprache übersetzte;
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