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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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anderen pensionierten Beamten traf.
    Als sie aneinander vorbei gingen, hielt Bergheim kurz inne und schaute ihn mit einem forschenden Blick unter hochgezogenen Brauen an.
    “ Na, Herr Kessler? Einen schönen guten Tag auch. Alles in Ordnung? Sie wirken, wenn ich das so sagen darf, ein wenig mitgenommen. Gibt es Probleme?”
    “ Nein, nein, wieso denn das? Alles bestens”, erwiderte er hastig mit gesenktem Kopf und ließ den neugierigen Nachbarn einfach stehen, ohne ihm ein weiteres Wort oder noch einen Blick zu gönnen.
    Nachdem er die Wohnungstür hinter sich zugedrückt hatte, warf er sich mit einem leisen Fluch aufs Sofa. Herrgott, so ging das nicht weiter. Was würde Bergheim jetzt bloß von ihm denken? Er musste wirklich zusehen, dass er einen klaren Kopf behielt.
    Der Kleine mit Sonnenbrille konnte ihm nichts vormachen, auch wenn er so getan hatte, als wisse er von nichts. Es lag doch auf der Hand, dass er vor Julias Haus auf ihn gewartet hatte und ihm gefolgt war. Aber was, um alles in der Welt, hatte das zu bedeuten? Welches Spiel wurde hier gespielt? Er überlegte, ob er Julia anrufen sollte, um ihr von seinem Verfolger zu berichten und sie zu fragen, ob sie den Mann kenne. Nur, wenn er sie jetzt, nach seinem abruptem Weggang, anriefe, würde sie das bestimmt gleich wieder als Einlenken und damit als Einladung zu weiteren Aufdringlichkeiten von ihrer Seite interpretieren. Und der ganze Wahnsinn würde weitergehen.
    Vielleicht sollte ich einfach wegfahren, irgendwohin, jetzt sofort, dachte er als nächstes. Vielleicht sollte ich einfach den Koffer packen, ins Auto steigen und dann dort bleiben, wo es mir gefällt, für eine Woche gar nicht da sein, für niemanden erreichbar. Und wenn ich dann wiederkomme, hat sich alles erledigt, auf welche Weise auch immer.
    Diese Vorstellung hatte etwas überaus Verlockendes. Und je mehr er darüber nachdachte, um so sicherer wurde er sich, dass er sie in die Tat umsetzen würde. Das einzige, was dagegen sprach, war die enorme Müdigkeit, die er mit einemmal in jeder Faser seinen Körpers spürte, insbesondere in seinem Kopf. Er konnte sich kaum entsinnen, jemals derartig müde gewesen sein, jedenfalls nicht in den Jahren, seit er seinen Beruf nicht mehr ausübte. Es war ihm, als müsse er nun endlich den gesamten Tribut entrichten für die zehrenden Tage, die hinter ihm lagen und für die Nächte, in denen er kaum erholsamen Schlaf gefunden hatte. Ja, er würde wegfahren, weg von all dem. Aber erst morgen, nicht jetzt gleich. Jetzt musste er nur noch schlafen.
    Das war das Letzte, was er denken konnte, bevor ihm die Augen zufielen.
     

16.
    Er erwachte durch ein Geräusch, dessen Ursprung er nicht sofort einordnen konnte und das er zunächst für einen Teil des Traums hielt, der allerdings dadurch jäh unterbrochen wurde, ohne dass er in diesem Moment noch genau hätte sagen können, wovon er gehandelt hatte - nur, dass er mit behaglichen, angenehmen Empfindungen verbunden gewesen war. Er hätte ihn gern noch weiter geträumt.
    Im nächsten Augenblick machte er kurz nacheinander einige weniger angenehme Entdeckungen: Er lag auf dem Sofa in einer unbequemen Haltung, die ihm einen leichten Schmerz in Nacken und Rücken verursachte. Es war zu kühl, da das eine Fenster halb offen stand. Es war zu hell. Und es gab vor allem dieses Geräusch, das viel zu laut und lästig war, als dass er wieder hätte einschlafen können. Er fragte sich, wer ein Interesse daran haben könnte, derart unerbittlich sein Trommelfell zu traktieren. Dann fiel sein Blick auf sein Jackett, das über dem Stuhl hing, und ihm dämmerte, was er zu tun hatte.
    Er wälzte sich aus dem Bett, erhob sich auf etwas staksigen Beinen und langte in die Brusttasche zu langen, um sein Handy herauszuziehen. Auf dem Display las er, dass es knapp halb sechs war, er folglich fast zwölf Stunden lang geschlafen hatte.
    Als er die Taste drückte, um die Verbindung herzustellen, verstummte das Geräusch zwar, aber das, was er stattdessen vernahm, weckte in ihm umgehend den dringenden, wenn auch aussichtslosen Wunsch, er möge sich weiterhin in einem Traum befinden, der, wenn er schon nicht erfreulich war, sich doch wenigstens durch schlichtes Aufwachen hätte beenden lassen.
    “ Bitte entschuldige, dass ich dich so früh geweckt habe, aber es ging nicht anders. Wir müssen uns sprechen, es ist ganz dringend”, sagte sie in dem für ihre Verhältnisse ungewohnt gefassten Ton, mit dem sie ihn bereits einige Male

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