Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
Vom Netzwerk:
Wendeltreppe wäre sie ohne Gurte ins Rutschen gekommen – und unten in den Sanitätswagen gelegt. Ein unangenehmer
     Geruch nach Desinfektionsmitteln, Schweiß und Äther umfing sie, sodass sie zu erbrechen fürchtete. Die beiden Sanitäter und
     Dr.   Thurner nahmen auf dem Sitz neben Louise Platz.
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie. Ihre Stimme war halb erstickt von einer neuen Welle aus Schmerzen, die sich wie eine Zange
     in ihren Unterleib krallten.
    »Ins Marienkrankenhaus«, antwortete einer der Sanitäter. »Dort sind Sie gut aufgehoben, Frau Paquin. Machen Sie sich keine
     Sorgen. Alles wird gut.«
    Aber Louise wusste, dass nichts gut werden würde. Wenn sie Glück hatte, überlebte sie selbst, aber das Kind würde nicht überleben.
     Sie würde auch noch das Letzte verlieren, was ihr von Frederick geblieben war.
    Das Holpern des Wagens auf dem Katzenkopfpflaster verstärkte ihre Schmerzen noch. Sie schrie laut auf, als sie inmitten einer
     besonders heftigen Wehe auch noch das Gefühlhatte, sie würde mit einem Knüppel ins Kreuz geschlagen. Dr.   Thurner befeuchtete ein Tuch mit Chloroform und hielt es vor ihre Nase. Sie würgte, als sie den widerlichen Geruch einatmete,
     aber dann überkam sie eine angenehme Schwere, die Schmerzen ließen nach, und der qualvolle Aufruhr in ihrem Inneren versank
     in Nebelschwaden.
    Alles Weitere nahm sie nur bruchstückhaft wahr, ähnlich wie die Bilder des Kinematographen, die wackelten und stockten und
     dann wieder mit zappelnder Geschwindigkeit weiterliefen.
    Das Hufgeklapper der Pferde, die den Sanitätswagen zogen, stoppte. Sie wurde aus dem Wagen gehoben und meinte, einen Meter
     hoch über dem Boden zu schweben. Bequem auf dem Rücken liegend, sah sie sich wie einen Geist durch die Flure des Krankenhauses
     gleiten. Es war ein angenehmes, wenn auch unheimliches Gefühl, denn sie fragte sich, ob sie am Ende gestorben war und jetzt
     als körperloser Schemen spukte. Ein kühles, gleißendes Licht blendete sie und verschwand wieder, als flinke Hände ihr ein
     grünes Tuch über Stirn und Augen breiteten. Die atemraubenden Krämpfe in ihrem Unterleib hatten aufgehört, nur ein rauer Schmerz
     in ihrem Inneren war noch zu spüren. Dann merkte sie noch, dass eine Nadel in ihren Arm drang, und sie verfiel auf der Stelle
     in einen traumlosen Schlaf.
    Als sie benommen die Augen aufschlug, war es früher Morgen. Sie hatte offenbar lange geschlafen. Durch ein hohes, von einer
     hölzernen Jalousie halb verdunkeltes Fenster fiel in Streifen eine strahlend helle Morgensonne. Vorsichtig wandte Louise den
     Kopf nach allen Seiten. Sie lag in einem weiß lackierten Stahlrohrbett, das durch einen Paravent von anderen Betten abgeschirmt
     war. Rundum herrschte Geschäftigkeit,sie hörte ein Klappern und Klirren, Zurufe und Anordnungen und das Rollen der Wägelchen mit Medikamenten und Frühstück, die
     von Bett zu Bett geschoben wurden.
    Der Paravent um ihr Bett wurde beiseitegeklappt, ein Arzt und eine Klosterfrau – das Krankenhaus wurde vom Orden des Heiligen
     Karl Borromäus geführt – blickten sie an. Louise fasste sich an den Bauch. Sie schloss kurz die Augen, als sie mit zitternder
     Stimme fragte: »Mein Kind?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Frau Paquin. Es war einfach noch nicht so weit ausgereift, dass es überleben
     hätte können. Es war schwierig genug, Ihr Leben zu retten.«
    »Wozu denn?«, schrie sie. »Was habe ich denn noch davon, dass ich lebe?«
    »Pst.« Die Klosterfrau legte den Finger auf die Lippen. »Versündigen Sie sich nicht. Sie sind jetzt noch ganz durcheinander.
     Der Doktor gibt Ihnen eine Spritze, davon schlafen Sie noch eine Weile, und dann werden Sie klarer denken.«
    Louise wollte aufbegehren, aber die Nonne hielt mit eisernem Griff ihren Arm fest, der Arzt versetzte ihr eine Spritze, und
     noch bevor die beiden sie allein gelassen hatten, versank Louise in einen zufriedenen Dämmerzustand.
    Als sie das nächste Mal erwachte, immer noch benommen von der Injektion, saß Dr.   Thurner auf dem Stuhl neben ihrem Bett. Er beugte sich vertraulich zu ihr und flüsterte: »Ich habe alles in Ordnung gebracht.
     Die Kollegen haben mir den Gefallen getan und das Kind eingetragen als posthum geborene Tochter von Herrn Paquin.«
    Sie lächelte traurig. Als zählte das jetzt noch! Aber sie wusste, dass der Arzt es gut meinte, und so streckte sie die Hand
     aus, ergriff seine runzligen Finger und drückte sie dankbar.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher