Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Paquin auf jeden Fall die Dumme, und ohne Geld wird sie schwerlich
einen anderen Rechtsbeistand finden als mich. Aber bitte, lesen Sie ruhig.«
Louise nahm das Blatt entgegen, sobald Frederick es gelesen hatte, und studierte es sorgfältig. Dann sagte sie: »Ich weiß,
dass es leicht wäre, mich hereinzulegen, aber ich glaubenicht, dass Lady Harrington mir einen Anwalt empfiehlt, der so etwas tut. Außerdem säße ich ohne ihre Hilfe noch immer hinter
Gittern.« Mit diesen Worten unterschrieb sie.
Frederick schlug sich vor Zorn mit beiden Fäusten auf die Knie. »Das sagst du, nachdem du dieses vertrauenswürdige Fräulein
genau zwei Tage kennst? Was weißt du denn über sie? Du stürzt dich da Hals über Kopf in ein Abenteuer …«
Sie fuhr unvermutet hoch, drehte sich zu ihm um und sah ihn aus zornig funkelnden Augen an. »Vielleicht, ja! Aber in dem Fall
sind es mein Hals und mein Kopf, die ich aufs Spiel setze! Ich vertraue Dr. Taffert.«
»Mir nicht?«
»Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Natürlich vertraue ich dir.« Sie schob dem Juristen die unterschriebene Vollmacht
zu.
Dr. Taffert verstaute sie sorgfältig in einem Briefumschlag, schob sie in die Schreibtischlade und wandte sich seiner Klientin
zu. »Nun, ich habe mich inzwischen kundig gemacht und will Ihnen die Situation darlegen.« Er lehnte sich zurück und legte
die Fingerspitzen aneinander. »Juristisch gesehen hat der Staatsanwalt nicht viel in der Hand. Eine Bleivergiftung kann man
sich an allen Ecken und Enden holen. Aber Prozesse werden nicht nur mit juristischen Grundsätzen und physikalischen Beweisen
geführt, sondern auch mit dem Gemüt. Und das Gemüt des deutschen Volkes nimmt es übel, wenn ein stadtbekannter Philanthrop,
ein angesehener und allgemein beliebter Mann, nur zwei Jahre nach seiner Hochzeit auf eine elende Weise zugrunde geht – und
seine blutjunge Witwe ein Vermögen von mehreren Millionen Goldmark erbt. Eine Witwe, die zwei Tage nach dem Tod des Gatten
eine Beziehung mit einem Domestiken unterhält.«
»Ich bin kein Domestik!«, fuhr Frederick wütend auf. »Ich war sein Privatsekretär, nicht sein Hausknecht!«
Dr. Taffert ignorierte den Einwand und fuhr in seiner gleichmütigen Art fort: »Wir werden also überzeugend beweisen müssen, dass
Sie nichts mit dem Tod Ihres Gatten bzw.« – dabei sah er Frederick an – »Ihres Dienstherrn zu tun haben. Ja, Sie stecken auch
mit drin! Man schreit in solchen Fällen immer danach, den Geliebten mit auf die Anklagebank zu bringen. Ich muss eine hieb-
und stichfeste Verteidigung aufbauen können.«
»Wir haben etwas mitgebracht, was Ihnen dabei behilflich sein wird«, sagte Louise.
Sie stellte die Chinoiserie-Schatulle auf den Tisch. Louise erzählte – dann und wann unterbrochen von Frederick –, wie sie auf das Kästchen aufmerksam geworden war, dass es nach Aussage des Magisters seit Oktober im Besitz von Herrn Paquin
gewesen sei, dass Kriminalpolizeiinspektor Gützlow die Scheibe gefunden und an sich genommen habe und dass niemand anderer
als der Händler die Phiolen abgefüllt haben könne, da sie noch mit den original asiatischen Siegeln verschlossen seien.
Dr. Taffert rümpfte angewidert die Nase, als er den Deckel öffnete und die Mandragora in ihrem schwarzen Samtmantel darin liegen
sah. »Hol’s der Teufel!«, stieß er hervor. »Das garstige Ding! Wer lässt sich denn so etwas aufschwatzen?«
»Ein betagter Mann, der Angst hat, seine junge Frau zu verlieren«, erwiderte Louise. »Bitte, lassen Sie die Phiolen so rasch
wie möglich von einem Chemiker untersuchen.«
»Nichts anderes hatte ich vor!«, erwiderte der Anwalt. Er klingelte nach seinem Gehilfen und trug ihm auf, die Phiolenauf der Stelle ins Labor zu bringen und dort auszurichten, es eile, man möchte die Analyse unverzüglich vornehmen. »Sie können
auf die Ergebnisse warten. Es wird nicht lange dauern. Eine Stunde, vielleicht zwei. Das Labor ist nicht weit von hier, und
es ist keine aufwendige Untersuchung, wenn man weiß, wonach man sucht. Vielleicht wollen die Damen so lange eine Tasse Tee
trinken?« Er stand auf, öffnete die Tür zum Wartezimmer und rief Amy zu: »Lady Harrington, wir warten auf die Ergebnisse einer
chemischen Analyse. Wollen die Damen und der Herr Doktor sich die Wartezeit im Kaffeehaus vertreiben? Es befindet sich eines
nur zwei Häuser weiter.« Er wandte sich an Frederick. »Mit Ihnen, Herr
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