Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Hansen, möchte ich mich gerne noch unterhalten, da
Sie als Privatsekretär Einblick in die Geschäfte des Verstorbenen hatten. Sie sind der richtige Mann, um mir bei der Durchsicht
seiner Geschäftspapiere zu helfen. Wir müssen versuchen, zu rekonstruieren, was er verbrannt hat.«
Frederick war überrascht. Er hatte erwartet, als Anwalt des Rechtsschutzvereins für Frauen würde Dr. Taffert einen Keil zwischen ihn und Louise treiben. Etwas verlegen und nicht ohne Stolz murmelte er: »Ja … Wenn Sie es wünschen und wenn es der Aufklärung des Falls dienlich ist, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.«
Während Frederick zurückblieb, manövrierte Amy Louise aus dem Wartezimmer, versuchte den Arzt abzuschütteln – was ihr allerdings
nicht gelang –, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu der Teestube.
Sie ließen sich auf Korbstühlen in einem Erker nieder, durch dessen Glasscheiben sich der Blick auf das lebhafte Getriebe
am Gänsemarkt öffnete.
Louise drückte ihrer neuen Freundin dankbar die Hand.»Ach, ich bin froh, dass ich Ihrem Rat gefolgt bin! Dr. Taffert hat mir richtig Mut gemacht.«
Amy legte zärtlich den Arm um ihre Schultern. »Meine Liebe, sag doch ruhig du zu mir. Sind wir Frauen nicht alle Schwestern?«
Louise dachte an Eugenie von Pritz-Toggenau und die Köchin Jakobine Stokhamer und murmelte ein nicht sehr überzeugtes: »Nun
ja, in gewisser Weise schon. Dich jedenfalls kann ich mir gut als Schwester vorstellen!«
Amy beugte sich so nahe zu ihr, dass Louise in eine dichte Wolke ihres zarten Gartenrosen-Parfüms gehüllt wurde. »Du wirst
sehen, wenn du erst die Welt der Frauen entdeckt hast, wirst du keinen Bedarf mehr an Männern haben, schon gar nicht an solchen
zwielichtigen Figuren wie diesem Hansen. Sie sind zweifellos nicht dieser Meinung?«, wandte sie sich in scharfem Ton an Dr. Thurner, der in seiner wunderlichen Art vor sich hin kicherte und gluckste, während er den Ausbruch schwesterlicher Zärtlichkeit
beobachtete.
Er machte eine galante Verbeugung. »Mein Fräulein, niemals würde ich es wagen, mich Ihrer Ansicht zu widersetzen.«
Sie betrachtete ihn argwöhnisch. »Machen Sie sich über mich lustig?«
»Nein, keineswegs. Ich mag streitbare Menschen, was Sie ja ganz offensichtlich sind. Ich wage nur zu sagen, dass Sie, was
Frederick Hansen angeht, unter dem falschen Baum bellen. Der Junge ist gut und anständig. Er hat sich von seinem Dienstherrn
in den letzten Monaten so viel gefallen lassen, dass ich ihm wünsche, er bekäme für jedes böse Wort eine Goldmark. Er wäre
ein reicher Mann.«
»Das sagen Sie nur, weil Sie ein Mann sind. Männer halten immer zusammen.«
»Nein, mein Fräulein. Homo homini lupus est – der Mensch begegnet dem Menschen als Wolf. Oder auch als Wölfin. Ich habe keine
hohe Meinung von all den Verbindungen, seien sie religiös oder profan, in denen diese Wölfe versuchen, sich einen Schafspelz
überzuziehen. Es dauert ja doch nicht lange, bis man die Reißzähne aufblitzen sieht.«
»Wir Frauen sind da anders«, zischte sie. »Hass, Krieg, Verbrechen und Gewalt stammen nur von den Männern her. Wenn wir in
der Welt etwas zu reden haben werden, wird sie anders aussehen.«
Er grinste sie mit schartigen gelben Zähnen an. »Dann üben Sie sich schon einmal in Schwesterlichkeit und versuchen Sie, Eugenie
von Pritz-Toggenau für Ihre Ideen zu begeistern. Wenn dieser aufgeputzte Kleiderständer überhaupt kapiert, was Sie meinen,
wird sie hellauf loslachen. In ihrem nussgroßen Hirn gibt es nur drei Gedanken: Geld – Schmuck – Bewunderung.«
»Aber zweifellos«, fiel Louise mit lieblich sanfter Stimme ein und blickte den Arzt unschuldig an, »hat sie eine gesunde Gebärmutter.«
Dr. Thurner errötete – ein seltener Anblick –, und Amy wollte fragen, wie die Bemerkung gemeint war, aber Louise, die sich jetzt für ihre Frechheit schämte, lenkte rasch
ab und sprach ein anderes Thema an. »Was meinst du«, fragte sie, »kann Dr. Taffert mir auch helfen, wo es um die Apotheke geht?« Sie schilderte der Freundin in wenigen Worten das Problem. »Ich möchte
auf keinen Fall, dass irgendein fremder Mensch dort herrscht. Lässt sich das gerichtlich durchsetzen?«
Amy rührte nachdenklich in ihrer Teetasse. »So, wie du mir die Sachlage schilderst, brauchst du keinen Rechtsanwalt,sondern jemanden mit guten Beziehungen zu den maßgebenden Leuten. Ich könnte
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