Die Frau des Germanen
zu verschaffen. Zu dem Mehl gab sie Salz, Anis- und Kümmelsamen, dann schüttete sie Öl und Traubensaft
hinzu. Schon vor Monaten hatte sie gelernt, diese Gewürzfladen herzustellen. Ach, wie vieles hatte sie lernen müssen in der
Zeit, die sie in Severinas Haus verbrachte! Vor allem hatte sie gelernt, Schmerz und Demütigung hinzunehmen. Diese Stockschläge
waren nicht die ersten gewesen. Die Demütigung allerdings hatte diesmal alles übertroffen. Wie konnte Flavus zulassen, dass
sie so in ihrer Würde verletzt wurde?
Sie rührte und rührte, um nachdenken zu können, ohne sich auf Zutaten und ihre Mengen konzentrieren zu müssen. Wenn Gaviana
recht hatte, wenn Flavus längst wusste, wohin sie gebracht worden war – warum war er nie zu ihr gekommen? |352| Wollte er ihr nicht helfen? War er durch und durch ein Römer geworden? Ein Germane, der hasste wie ein Römer, selbst diejenigen,
die zu ihm gehörten? Nein, das konnte, das durfte nicht sein! Flavus würde nicht zulassen, dass sie als Sklavin ihr Leben
fristete. Und vor allem würde er nicht zulassen, dass Thumelicus im Amphitheater zum Vergnügen der römischen Gesellschaft
sein Leben ließ. Der Sohn seines Bruders!
Der warnende Blick Gavianas, die soeben wieder die Küche betrat, entging Thusnelda zum Glück nicht. So konnte sie schnell
genug zum Ziegenkäse greifen, bevor der Aufseher erneut auf sie aufmerksam wurde. Vorsichtig mischte sie den Käse unter das
gewürzte Mehl und begann zu kneten. Lange und ausgiebig musste der Teig gewalkt werden. Zeit für all die Gedanken und Erinnerungen,
die schrecklich wehtaten, die aber das Einzige waren, was ihr ganz allein gehörte.
Mit der linken Hand stützte sie sich unauffällig ab, um ihren Rücken zu entlasten, mit der rechten knetete sie den Teig. Ihr
Rücken schmerzte höllisch, die blutigen Striemen hätten längst versorgt werden müssen. Jetzt klebte das Blut an ihrem Überwurf,
bei jeder Bewegung scheuerte der grobe Stoff über die blutigen Risse. Sie wusste jedoch, dass sie sich nichts anmerken lassen
durfte. Gaviana hatte ihr erzählt, dass der Sklavenaufseher umso gnadenloser zuschlug, je lauter der bestrafte Sklave schrie.
Nachsicht übte er nur mit denen, die tapfer den Schmerz ertrugen.
Als die Wehen eingesetzt hatten, war Thusnelda auch beauftragt worden, einen Teig zu kneten. Der Sklavenaufseher hatte jedes
Mal, wenn sie sich in einer Wehe gekrümmt hatte, die Peitsche mit der Rechten in seine linke Handfläche geschlagen. »Wenn
das Kind kommt, kannst du dich hinlegen! Keinen Moment früher!«
Ausgerechnet in diesem Moment hatte Severina die Küche betreten, und wider besseres Wissen hatte Thusnelda geglaubt, eine
Frau, die selbst Mutter war, könnte ihr helfen wollen. In ihrer Not hatte sie sogar Severinas Lächeln falsch gedeutet.
»Sie soll sich neben den Misthaufen legen«, sagte Severina zu dem Sklavenaufseher, »und sehen, dass sie ihr Kind irgendwie |353| auf die Welt bringt.« Dann hatte sie allen anderen verboten, Thusnelda zu helfen. »Die Barbaren sind hart im Nehmen. Entweder,
sie schafft es allein – oder eben nicht.«
An das, was dann kam, konnte Thusnelda sich nicht mehr erinnern. Sie wusste nur noch, dass sie sich in ihre Ohnmacht ergab,
in den Schmerz, in die Schwäche. Ihren Lebenswillen gewann sie erst zurück, als plötzlich Gaviana neben ihr im Gras kniete.
»Ich helfe dir«, flüsterte Severinas Hauptsklavin. »Und wenn das hier vorbei ist, zeige ich dir, dass sich auch eine Sklavin
rächen kann.«
Seitdem wusste Thusnelda, dass es für Gaviana eine heimliche Genugtuung war, in die Getränke zu spucken, die sie Severina
kurz darauf mit unterwürfigem Lächeln reichte.
»Bist du endlich fertig?«, fuhr der Koch in ihre Erinnerungen. »Die Fladen müssen in den Ofen.«
Thusnelda formte aus dem Teig eine riesige Kugel und brachte sie dem Koch an den Ofen, wo er sie zerteilte, flach klopfte
und dann auf einer Schaufel in den Ofen schob.
Als Thumelicus auf der Welt war, hatte sie sich geschworen, ihre innere Größe zu bewahren, so klein Severina sie auch gemacht
hatte. Sie wollte schweigend alle Strafen erdulden, ohne zu weinen, und dankbar dafür sein, dass es in diesem Hause eine Frau
wie Gaviana gab. Sie war die Tochter von Sklaven, als Sklavin geboren und ohne die Hoffnung, jemals ein freier Mensch mit
einem freien Willen zu werden. Trotzdem hatte sie den Mut gehabt, Thusnelda zu helfen. Obwohl die Strafe für
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