Die Frau des Polizisten
habe jede Menge Gerede darüber gehört, dass du Interna an die Presse weitergegeben haben sollst. Und noch viele andere Dinge …«
Erika bestätigte leise, dass solche Gerüchte auch schon in Stockholm über sie im Umlauf gewesen seien.
»Aber ich war es nicht«, sagte sie leise.
Per nickte schweigend. Er stand auf, kam um den Tisch herum und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Erika schloss die Augen, sie hatte nicht die Kraft, seinem Blick zu begegnen oder etwas zu sagen. Dann ging er wortlos aus der Tür.
Kapitel 24
Erika blieb noch lange im Polizeigebäude. Draußen herrschte undurchdringliche Finsternis. Nebel zog vom Meer herein und kroch in jeden Winkel, jeden Spalt und unter die Kleidung. Die Fensterscheibe war benetzt von glitzernden Tropfen, die wie kleine Glasperlen aussahen. Die Scheinwerfer der Autos tränkten die Tropfen mit Licht, das in allen Farben von Blau über Gelb und kräftigem Rot schimmerte. Sie starrte hinaus.
In Göteborg war die Dunkelheit aufdringlicher, länger anhaltend und bedrohlicher. Äußerst selten fiel etwas Schnee, der alles aufhellen und das wenige Licht reflektieren konnte. Erika rieb sich die Augen, ihr Rücken und ihre Schultern fühlten sich verspannt an. Die Unterredung mit Bengt ging ihr immer noch nach. Sie hatte keine Schwierigkeiten mit Autoritäten und damit, einen Mann zum Chef zu haben, im Gegenteil. Aber während des Gesprächs mit Bengt war sie sich wie ein zurechtgewiesenes Schulmädchen vorgekommen. Ertappt und gedemütigt.
Sie war Göran entkommen, hatte es geschafft, aus ihrer persönlichen Hölle zu fliehen. Und solange sie arbeitete oder in Gesellschaft von Kollegen war, würde er ihr nichts tun, zumindest körperlich nicht. Allerdings würde sie ihn nicht daran hindern können, mit ihren Kollegen zu sprechen, sie zu manipulieren, ihnen zu drohen oder ihnen Lügenmärchen zu erzählen. Sie hatte keine Unterkunft, und es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie Geld aus dem Hausverkauf in Enskede erhalten würde. Und ohne Görans Unterschrift konnte sie eine Hypothek vergessen. Die Vertretungsstelle wäre sie infünf Monaten los, dann stünde sie im letzten Hemd da, und das buchstäblich.
Erika griff nach ihrem Handy und rief ihre Schwester an, aber Mia ging nicht ans Telefon. Vielleicht war das auch gut so. Zu jammern und die Sache immer und immer wieder durchzukauen, brachte nichts. Sie musste zum Gegenangriff ausholen. Und so viele Fakten wie möglich zusammentragen, bevor die internen Ermittlungen ernsthaft in Gang kamen.
Sie notierte die Nummer, von der ihr Cousin sie angerufen hatte, und erstellte eine neue Mindmap für Karl Petersson. Er wohnte in Backa, angeblich sollte er dort auch aufgewachsen sein, hatte jedoch ein paar Jahre in Stockholm gelebt. Warum beziehungsweise was er dort gemacht hatte, wusste sie nicht. Ihre Familien hatten zwar die Sommer in Orrviken auf dem großelterlichen Hof verbracht, wo sie oberflächlichen und netten Umgang miteinander gepflegt, an traditionellen Festtagen und den Arbeiten, die auf dem großen Hof anfielen, teilgenommen hatten, aber ohne dass ein besonders enges Band zwischen ihnen bestanden hätte.
Erika wurde klar, dass sie über seine Familie kaum etwas wusste. Sie suchte ihren Cousin im Netz, fand seine Adresse und Kontaktinformationen und eine Facebookseite. Sein Name war so gewöhnlich, dass die Googlesuche nicht viel ergab. Seine anderen Cousins und seine Eltern wohnten alle in unmittelbarer Nähe auf Hisingen.
Erika loggte sich in sein polizeiliches Register ein und stellte schnell fest, dass er ein handfester Kleinkrimineller mit Hobbys wie Einbruch, Autoklau und einigen Drogenvergehen war. Er war jedoch auch in ein paar Fälle von Misshandlung verwickelt gewesen, aus denen er gerade noch so mit einem blauen Auge davongekommen war. Außerdem wurde er verdächtigt, in Verbindung zu einer bekannten kriminellenBande in den östlichen Stadtteilen Göteborgs zu stehen. Es konnte alles nur ein seltsamer Zufall sein, aber weshalb hatte er dann ausgerechnet jetzt Kontakt zu ihr aufnehmen wollen?
Erika raffte ihre Unterlagen zusammen und fügte ein paar kleinere Anmerkungen hinzu. Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr – es war kurz nach halb elf. Zeit, sich zu Anna und Krister und ihrer Mädchenkammer in der Vasastaden zu begeben.
Ein dichter Sprühregen hatte sie rasch durchnässt, so dass ihr schon nach wenigen Metern das Wasser von der Nasenspitze rann. Sie überquerte
Weitere Kostenlose Bücher