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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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ist gestern wegen Trunkenheit am Steuer verknackt worden und hat mich gebeten, dich anzurufen und dir zu sagen, dass er nicht kommen kann. Ihm ist klar, dass du stinksauer sein wirst, aber glaub mir, Alice, es gibt nichts, was du ihm vorwerfen könntest, was er sich nicht schon selbst überlegt hat. Ein paar Stunden im Gefängnis können eine großartige Gelegenheit sein, in sich zu gehen.«
    »Ist er …« Wieder war ich in der Küche und konnte nichtfrei sprechen. »Ist er noch festgesetzt und ruft deshalb nicht selbst an?«
    »Er ist nicht mehr im Knast, nein. Er ist bei unserem Anwalt. Er will diese ganze Sache unbedingt unter Verschluss halten, weil es Zeke Langenbacher bestimmt nicht besonders gefallen würde, also haben sich Dad und Ed an die Telefone gesetzt. Chas hat mich gebeten zu fragen, ob es dir passen würde, das Mittagessen auf morgen zu verschieben, aber vielleicht rufst du ihn heute Nachmittag lieber selbst an? Nicht dass ich ihm nicht gern die Sekretärin mache …«
    »Wann ist er …« Mir fiel keine einzige Frage ein, die ich hätte stellen können, ohne Worte zu benutzen, die Ella und meine Mutter alarmiert hätten:
verletzt
oder
Unfall
oder
Anwalt
oder
Gefängnis
. Und dann dachte ich (und es fühlte sich merkwürdig befreiend an):
Er kann sich selbst darum kümmern
. Ich musste nicht eingreifen. Ob sein Auto einen Totalschaden hatte, ob eine Zeitung davon Wind bekam, ob er sich selbst dafür hasste, seine neue Stelle riskiert zu haben, bevor er sie überhaupt angetreten hatte – das war alles sein Problem. Arthur hatte gesagt, dass niemand verletzt worden war; das war alles, was mich interessierte. »Danke für deinen Anruf«, sagte ich. »Aber was morgen angeht, lautet die Antwort nein.«
    »Alice, es tut ihm wirklich leid, dass …«
    »Die Antwort lautet nein. Das ist alles, was du ihm ausrichten musst.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, sagte ich fröhlich zu Ella: »Daddy sitzt leider in einer Besprechung wegen der Baseballmannschaft fest und kann dort nicht weg. Aber er ist so enttäuscht darüber, dich nicht sehen zu können, dass er eine Idee hatte, und ich habe nur zugestimmt, weil du in letzter Zeit so brav warst. Er hat vorgeschlagen, dass wir beide
Dirty Dancing
kaufen gehen.«
    Ella hatte zuerst zweifelnd die Stirn kraus gezogen – zu meiner Mutter traute ich mich gar nicht erst hinüberzusehen –, aber sobald die Worte
Dirty Dancing
fielen, quiekte sie vor Freude und warf die Arme in die Luft. »Jetzt gleich?«, rief sie mit großen Augen.
    »Was hältst du davon, wenn wir unser Picknick hier in den Garten verlegen?«, sagte ich. »Mom, du könntest mitkommen, es ist noch ein Sandwich übrig.« Dabei musste ich sie ansehen, und sie wirkte verhalten optimistisch – sie wollte die Wahrheit genauso wenig wissen, wie ich sie ihr sagen wollte. Zu Ella sagte ich: »Und nach dem Essen, Liebes, machen wir beide uns auf den Weg ins Einkaufszentrum.«
    Meine Mutter sagte: »Alice, wir haben kein … Wie nennt man denn diese Geräte?«
    »Das macht nichts, daran hat Charlie auch schon gedacht.« Ich strahlte über das ganze Gesicht, als hätte ich den Verstand verloren. »Er ist so dankbar für eure Gastfreundschaft, dass er mich gebeten hat, Lars und dir einen Videorekorder zu kaufen.«
     
    Im Laufe der nächsten zwei Wochen lernte ich unfreiwillig jede Dialogzeile von
Dirty Dancing
auswendig. Der Film war ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte, viel nuancierter und nicht so anrüchig, wie ich befürchtet hatte, auch wenn in einer Szene weniger als eine Sekunde lang ein nackter Patrick Swayze zu sehen war, der aus einem Bett stieg, in dem er vermutlich gerade Sex gehabt hatte. Zu meiner Überraschung kam auch eine Abtreibungsgeschichte darin vor, die Ella aber offensichtlich nicht begriff. Sie interessierte sich vor allem für die Tanzszenen, und die waren tatsächlich wundervoll. Die Geschichte spielte 1963, und die Hauptfigur war ein Jahr älter, als ich es damals gewesen war, so dass viele der Songs und der Anspielungen Erinnerungen in mir wachriefen. Ich hätte den Film kaum aus eigenem Antrieb ein Dutzend Mal angesehen, und wir liehen später auch andere aus, aber zu meiner eigenen Überraschung gefiel mir
Dirty Dancing
wirklich gut.
    Wann immer wir seitdem im Wohnzimmer vor dem Fernseher saßen, hatte ich das Gefühl, auf etwas zu warten, aber worauf? Ich rief Charlie nicht an, und er mich nicht. Der Beginn von Ellas Kunstseminar rückte immer näher, und dann war es so

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