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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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sehr für die Schulbildung der Anishinabe-Mädchen eingesetzt hatte, es mir verzeihen würde; die Ehrung abzulehnen hätte ich als unhöflich empfunden.)
    Oft schmerzt es mich, die kurioseren Erlebnisse nicht mit meiner Großmutter teilen zu können. Wie aufregend sie mein Leben fände, die vielen delikaten Details! Aber Charlie und ich haben viele unserer Verwandten und unserer langjährigen Freunde an den Freuden unserer unerwarteten neuen Lebensumstände teilhaben lassen: Rita Alwin, meine alte Freundin aus Madison, habe ich zu ihrem achtzigsten Geburtstag nach Washington einfliegen und im Lincoln Bedroom übernachten lassen (auf dem Rückweg trug sie die Brosche meiner Mutter, was ich sehr rührend fand). Einmal haben Charlie, Ella, meine Mutter, Jadey, Arthur, ihre beiden erwachsenen Kinder und ich einen wunderbar ausgelassenen ersten Weihnachtstag auf der Kegelbahn des Weißen Hauses zugebracht (an den Feiertagen selbst reisen wir nie nach Wisconsin, weil wir die Secret-Service-Agenten, die für uns als Leibwächter eingesetzt sind, nicht von ihren Familien fernhalten möchten). Und Charlie hat unseren Freund Cliff Hicken – einen unermüdlichen Spendensammler zu Wahlkampfzeiten – zum Botschafter in Frankreich ernannt, was mir mehrere großartige Parisaufenthalte beschert hat, während derer Kathleen und ich die Restaurants, Museen und Geschäfte unsicher machten.
    Das Leben, das wir miteinander verbringen, ist also nicht nur fremdbestimmt und anstrengend, sondern auch privilegiert und faszinierend. Wir sind jetzt Mitglieder eines winzigen, exklusiven Personenzirkels und werden es immer bleiben. Und meine eigene Freude an oder Aversion gegen unseren Status spielt genau genommen gar keine Rolle, denn der Übergang ist nicht rückgängig zu machen: Wir sind berühmt, und wenn Charlie aus dem Amt scheidet, werden wir berühmte Ehemalige sein.
    Der heutige Tag wird sicher ein Tag der Krisen und Konflikte werden, aber auch einer wie jeder andere, denn jeder Tag bringt jetzt seine Krisen und Konflikte mit sich. Fünf Kilometervon hier wartet Edgar Franklin – vergeblich, wie ich fürchte – darauf, mit Charlie sprechen zu dürfen; Ingrid Sanchez bereitet sich irgendwo in der Nähe auf ihre Gespräche mit den Senatoren vor; an Bord der
Air Force One
, auf dem Weg nach Columbus, legt Charlie vielleicht gerade sein Veto gegen einen Gesetzesentwurf ein, erhöht oder verringert die Steuern oder die Staatsausgaben um Milliarden Dollar oder hält eine Telefonkonferenz mit dem britischen Premierminister ab. Am späteren Vormittag werde ich in meinem roten Leinenkostüm bei dem Brustkrebs-Forum im Ballsaal eines Hotels in Arlington, Virginia, auftreten und Frauen dazu raten, das Rauchen aufzugeben, regelmäßig Sport zu treiben und ab ihrem vierzigsten Lebensjahr jährlich zur Mammographie zu gehen. Nachmittags werde ich mich mit meiner Tochter treffen und einer Gruppe von vierzig Drittklässlern eine Führung durch das Weiße Haus geben, die im Gegenzug heute Abend auf der Gala zu meinen Ehren »God Bless America« singen werden. Es ist mir nicht in die Wiege gelegt worden, vor großen Menschenansammlungen aufzutreten und Ratschläge oder Ermahnungen auszuteilen, und ich würde sagen, dass ich auch nach sehr vielen Trainingseinheiten meine öffentlichen Auftritte kaum mehr als befriedigend absolviere. Trotzdem versuche ich, den Anforderungen gerecht zu werden – ich bin die Ehefrau des Präsidenten der Vereinigten Staaten, und ich bemühe mich, gut darin zu sein.
    Charlie wird noch neunzehn Monate im Amt sein.
     
    Gegen Ende des Brustkrebs-Forums, als die Teilnehmer und einige Zuschauer die Gelegenheit bekommen, sich mit mir fotografieren zu lassen – ich begrüße die Person, wir stellen uns vor einer Flagge in Pose, das Blitzlicht der Kamera leuchtet auf, und der Nächste ist dran, und das alles innerhalb weniger Sekunden –, sehe ich plötzlich Hank Ucker unweit der Bühne an der Wand lehnen. Angst lodert in mir auf, eine Angst, die mich überallhin begleitet und deren Allgegenwart mir immer wieder dadurch bewusst wird, dass sie so leicht auszulösen ist. Sie war nur ein Mal, im September 2001, wirklich begründet,und auch jetzt wird mir schnell klar, dass sie übersteigert ist: Was auch immer schiefgelaufen ist, was auch immer Hank Ucker dazu bewogen hat, plötzlich in einem Ballsaal in Arlington aufzutauchen, kann nicht lebensbedrohlich für Charlie sein. Wenn es das wäre, hätte man mich sofort dezent

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