Die Frau des Praesidenten - Roman
Gouverneurswahl in Wisconsin gewinnen würde, kam unser alter Freund Howard mit seiner Frau Petal aus Madison nach Maronee herüber, um bei uns zu übernachten. (Mehr als ein Jahrzehnt, nachdem ich Petal als hübsche junge College-Absolventin auf der Mendota Terrace kennengelernt hatte, waren die beiden wieder zusammengekommen und hatten geheiratet.) Für uns als Familie war es eine anstrengende Zeit: Ella verbrachte viele Nächte bei Arthur und Jadey, während Charlie, ich und Hank und andere Wahlkampfhelfer uns von einer kleinen Ortschaft im Norden des Staates zur nächsten vorarbeiteten, von Cornucopia nach Moose Junction nach Manitowish. Wenn wir einmal nicht in einem namenlosen Motel übernachteten, sondern in einem Holiday Inn, war das schon Luxus für uns. Bei unserem Zeitplan hatten wir selten die Gelegenheit, uns mit Freunden zu treffen, und ich dachte, wir könnten so eine Auszeit alle gut gebrauchen, besonders Charlie. Ich hatte festgestellt, dass er immer launischer und unruhiger wurde, je mehr Tage wir hintereinander mit Wahlkampfarbeit verbrachten – gerade an dem Morgen hatte er in einem Kraftwerk in Richmond, als ihn eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern fragte, ob er wirklich etwas von den Bedürfnissen von Familien aus der Arbeiterklasse verstünde, schroff erwidert: »Wenn Sie nicht glauben, dass ich das tue, müssen Sie mich ja nicht wählen« –, und jede noch so kleine Pause würde ihm unendlich guttun. Am Samstagnachmittag waren wir von Eau Claire aus in einem kleinen Propellerflugzeug nach Milwaukee zurückgeflogen. Ich hatte ursprünglich große Pläne für ein richtiges Essen gehabt, und dann reichten meine Kräfte nur noch für eine Schüssel Spaghetti, aber der Abend wurde wirklich schön: Howard und Petal, Charlie, Ella und ich saßen zusammenin der Küche statt im Esszimmer, unterhielten uns und lachten zusammen.
Ella las für den Englischunterricht gerade die
Odyssee
, und ich frischte auch meine Lektüre auf: Ich nahm das Buch mit zu unseren Wahlkampfterminen und hatte ihren Unterrichtsplan kopiert, damit ich jeden Tag dieselben Seiten lesen konnte wie sie, um dann, wenn ich nicht zu Hause war, am Telefon mit ihr darüber zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass Howard das Buch selbst in der neunten Klasse gelesen hatte und dass er die ersten fünf Verse, die er damals im griechischen Original auswendig gelernt hatte, immer noch aufsagen konnte:
Andra moi ennepe, Mousa, polytropon, hos mala polla …
Dann eröffneten uns die beiden, dass Petal in der dreizehnten Woche schwanger war – sie hatten es sich schon seit Jahren gewünscht –, und wir waren, so sagten sie, die Ersten, denen sie es außer ihren Familien erzählt hatten. Ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde, wussten sie noch nicht, also dachten wir uns für beide Möglichkeiten Namen aus. Ella schlug Ella vor, Charlie votierte für Charles, und als ich daraufhin nicht Alice vorschlug, sagte Howard: »Warum so bescheiden, Al? Kannst du mit diesen Egomanen nicht mithalten?« Nach dem Essen setzten wir uns ins Fernsehzimmer, um Karten zu spielen, Ella gewann haushoch, und die Atmosphäre des Abends wurde immer gelöster und feierlicher. Charlie war der Erste, der sich zurückzog – seit er morgens joggte, ging er so oft wie möglich um zehn schlafen –, und als er sich hingelegt hatte, machten Petal, Ella und ich noch einen Ausflug auf den Dachboden, um für Petal meine alte Umstandskleidung herauszusuchen. Das meiste davon wirkte hoffnungslos altmodisch.
Am nächsten Morgen begleitete Howard Charlie beim Joggen, und danach fuhren er und Petal nach Madison zurück, und wir gingen in die Kirche. Nicht zum ersten Mal erwartete uns nach dem Gottesdienst ein Kamerateam der Lokalnachrichten vor der Heavenly Rose Church – es war immerhin schon Oktober –, und Charlie unterhielt sich ein paar Minuten lang mit dem Reporter, während Ella und ich im Auto warteten. Am selben Abend musste Charlie in Green Bay eine Redehalten, und ich wollte in Milwaukee bleiben und würde ihn erst am Montag in Sheboygan wiedersehen. Dort hatten sechshundert Republikaner je hundert Dollar dafür bezahlt, an einem Mittagessen mit Charlie und mir teilzunehmen. Nach diesem Mittagessen, über vierundzwanzig Stunden, nachdem es passiert war, erzählte Charlie es mir: Howard hatte ihn, während sie am Sonntagmorgen zusammen gejoggt waren, um den Gefallen gebeten, sich einmal mit seinem Bruder Dave zu treffen. Dave war der
Weitere Kostenlose Bücher