Die Frau des Praesidenten - Roman
verheiratet! Auf wen sollte er denn wohl sonst hören, wenn nicht auf dich?«
Könnte
ich Charlie dazu überreden, Sanchez’ Nominierung rückgängig zu machen – oder könnte ich ihn, wie das Protokolles vorsehen würde, dazu bringen, sie dazu zu überreden, ihre Kandidatur zurückzuziehen? Selbst wenn es möglich wäre, käme es mir schäbig vor; es wäre kein politischer Akt, sondern nur ein Versuch, mir die öffentliche Bloßstellung zu ersparen. Es ist nicht so, dass ich nicht selbst sehr dafür wäre, das Recht auf Abtreibung zu bewahren, oder dass ich nicht begriffe, dass Sanchez’ Berufung dieses Recht gefährden könnte. Ich verstehe auch sehr gut, wie sehr ich als Heuchlerin dastehe, obwohl ich selbst diese Einschätzung nicht teile: Ich habe nichts behauptet, das dem widerspricht, das ich getan habe. Es geht mehr darum, dass ich es nicht für meine Pflicht, ja nicht einmal für mein Recht halte, mitzuregieren. Egal, wie oft ich es betone – viele sind einfach nicht bereit, zu akzeptieren, dass nicht
ich
diejenige bin, die gewählt wurde. Habe ich je versucht, Charlie zu bestimmten Entscheidungen zu ermutigen? Natürlich habe ich das. Da ging es um ein Programm zur Frühförderung, um die Förderung der Künste, um eine Alphabetisierungskampagne – um Themen, die wenig kontrovers sind und bei denen er mich nach meiner Meinung
fragt
.
»Dr. Wycomb«, sage ich, »ich bin mir nicht sicher, ob es Erpressung ist, worauf Sie hinauswollen, aber es hat zumindest Ähnlichkeit damit, und Norene Davis ist in diese Angelegenheit mit verwickelt. Ich möchte, dass Sie es keinesfalls als Drohung auffassen, wenn ich sage, dass es uns allen nur schaden kann, wenn wir uns auf so einen Handel einlassen. Ich kann nicht versuchen, eine Berufung in den Supreme Court zu verhindern, nur um mich selbst zu schützen – das möchte ich nicht, und ich glaube auch nicht, dass es mir gelingen würde. Damit liegt es wieder in Ihren Händen, wie Sie weiter vorgehen möchten, aber wenn Sie einem Journalisten von einem medizinischen Eingriff erzählen, den Sie an mir vorgenommen haben, scheint mir das ein klarer Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht zu sein.«
»Es heißt
Abtreibung
.« Dr. Wycomb starrt wieder geradeaus. »Und du hattest keinerlei Vorbehalte, gegen das Gesetz zu verstoßen, als es dir gerade passte. Für Leute wie dich ist es nur dann ein Verbrechen, wenn jemand anders es getan hat.«
Mir wird klar, dass sie es wirklich tun wird. Sie ist vollkommen furchtlos. Die Konsequenzen kümmern sie gar nicht, auch nicht die für Norene. Über ein Jahrhundert ihres Lebens ist zu dieser Essenz zusammengeschrumpft: Sie hasst Charlie, sie hasst alles, was er in ihren Augen repräsentiert, und mich hasst sie vielleicht noch mehr. Und nicht nur stellvertretend, nein, sie hält mich für schlimmer als ihn. Damit hängt sie einem Glauben an, der unter Demokraten weit verbreitet ist und auch von einigen Republikanern geteilt wird – dass er ein Schwachsinniger ist, ein böswilliger Schwachsinniger, und dass ihn das in gewissem Maße entschuldigt. Aber ich, ich sollte es besser wissen.
Zu meinem eigenen Erstaunen denke ich:
Okay. Gut, soll sie es doch sagen, dass ich einen Schwangerschaftsabbruch hatte, und wenn es die ganze Welt erfährt. Sollen sie es doch hören, in Missouri und Utah und Louisiana, in Irland, in Ägypten und El Salvador.
Ja, es ist wahr, ich habe es getan. Ich werde dafür verurteilt und kritisiert werden, werde in Talkshows auseinandergenommen und in Late-Night-Shows verspottet werden; in den Zeitungen werden sie mich in der Luft zerreißen oder verteidigen (wenn auch Ersteres öfter passieren dürfte). Am Sonntag nach dem Bekanntwerden der Neuigkeiten wird es in der Wochenrückschau der
New York Times
drei verschiedene Artikel zu unterschiedlichen Aspekten desselben Themas geben. Selbst die Pro-Choice-Anhänger werden mich der Heuchelei bezichtigen, und Frauenrechtsorganisationen werden mich entweder als leuchtendes Vorbild für eins ihrer Themen anführen oder als warnendes Exempel für ein anderes. Bis zum Ende meines Lebens werde ich in jedem einzelnen Interview gefragt werden, warum ich abgetrieben und warum ich darüber so lange geschwiegen habe, und immer wird man von mir verlangen, die Widersprüche zwischen meinem Privatleben und den politischen und juristischen Weichenstellungen meines Mannes zu versöhnen. Was auch immer ich darauf antworten werde, wird in etwa auf die Aussage
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