Die Frau des Praesidenten - Roman
wir müssten die Gefallenen ehren, indem wir unseren Auftrag zu Ende führen, aber wenn es von vornherein ein Fehler war, diesen Krieg anzufangen, wird es nicht dadurch besser, dass wir immer so weitermachen.«
Wie kann ich ihm darauf antworten, was kann ich dazu sagen? Ich kann ihm in die Augen sehen, ihm zeigen, dass ich zuhöre.
»President Blackwell wird noch neunzehn Monate im Amt sein«, sagt er –
ich weiß
, möchte ich am liebsten antworten –
glauben Sie mir, das weiß ich nur zu genau
–, »und wie viele Soldaten werden in dieser Zeit noch ihr Leben verlieren? Zweitausend, dreitausend? Ich glaube, wir ehren die Gefallenen am besten, indem wir verhindern, dass noch mehr Menschen sinnlos sterben.«
»Unser Land schuldet Ihnen und den anderen Familien so viel, und ich weiß, dass es unmöglich ist, das Opfer, das Sie gebracht haben, angemessen zu würdigen. Aber die Lage ist sehr kompliziert, und wenn die Vereinigten Staaten sich …«
»Mrs. Blackwell!« Dass er mich unterbricht, scheint ihn selbst ebenso zu überraschen wie mich. In diesem Moment wirkt er wie ein ganz besonders höflicher Mensch, der gegen die Zwänge seiner eigenen Höflichkeit aufbegehrt. Er sagt mehr, als es ihm selbst passend erscheint, und schlägt einen schärferen Tonfall an (ich bin immerhin die First Lady, und er sitzt in meiner gepanzerten Limousine), aber doch weniger, als es seinen Gefühlen entspricht (ich bin immerhin die First Lady, und er sitzt in meiner gepanzerten Limousine). »Bitte entschuldigen Sie«, sagt er, »aber es gibt sehr wohl etwas, das Sie tun können, um mein Opfer angemessen zu würdigen. Natürlich können Sie mir Nate nicht wiedergeben, das nicht, aber dort drüben sind immer noch 145 000 Amerikaner im Einsatz, und auf jeden Einzelnen warten Menschen, die sie lieben, die sich um sie sorgen und jeden Abend beten, dass ihnen nichts zustößt. Sie können Ihrem Ehemann sagen: ›Diese Leute haben Familien.‹«
Was habe ich noch heute Mittag zu Gladys Wycomb gesagt?
Man muss zwischen mir persönlich und der Regierung meines Mannes unterscheiden. Er ist es, den das amerikanische Volk gewählt hat.
»Vor ein paar Monaten habe ich ein Interview mit Ihnen gesehen«, sagt Franklin. »Die Dame vom Fernsehen hat Sie gefragt: ›Was tun Sie und Ihr Mann, wenn Sie eine ruhige Minute haben?‹ Und Sie haben gesagt: ›Wir lesen, wir spielen Scrabble, oder der Präsident sieht sich Sport im Fernsehen an.‹ Mrs. Blackwell, das ist genau das, wovon all diese Leute träumen.«
»Es tut mir leid«, sage ich. »Es tut mir so leid.«
»Nates Mutter ist 1996 von uns gegangen«, fährt Franklin fort. »Sie war eine begnadete Köchin und brauchte nie ein Rezept dafür. Hackbraten, Bohneneintopf, Käsemakkaroni – alles, was sie kochte, schmeckte einfach großartig. Nach ihrem Tod blieben Nate und ich allein zurück, und er war ja noch jung. Deshalb habe ich damals eine Haushälterin angestellt, die unter der Woche auch für uns kochte, und an den Wochenenden machten Nate und ich uns Spaghetti mit Soße und nannten das unser Junggesellenessen. Wenn wir den Herd benutzt hatten, zählte das für uns schon als Kochen.« Wir lächeln einander zaghaft zu – Edgar Franklin hasst mich nicht, jedenfalls nicht so wie Gladys Wycomb.
»Ein paar Jahre nach meiner Pensionierung«, sagt er, »dachte ich irgendwann, ich sollte endlich kochen lernen. Ich kaufte mir ein paar Kochbücher und las sie von vorne bis hinten durch, und zuerst gab es nur wenige Rezepte, an die ich mich herantraute. Es gab da so viele Wörter, die mir gar nichts sagten,
blanchieren
und
sautieren
und so weiter, aber ich gab mein Bestes. Ich habe Rückschläge erlebt, von denen ich lieber niemandem erzähle, aber mit der Zeit habe ich dazugelernt. Ich hatte mir vorgenommen, Nate bei seiner Rückkehr ein richtiges Menü vorzusetzen, mit allem Drum und Dran. Er sollte ordentlich staunen: Filetsteak mit Pilzen und Oliven, frischen Salat, selbstgebackenes Brot. Ich hatte mir im Internet eine Brotbackmaschine bestellt – selbstgebackenes Brot beeindrucktdie Leute immer sehr, solange sie nicht wissen, dass man nur die Zutaten reintun und auf einen Knopf drücken muss. Damit probierte ich alle möglichen Sorten durch, bis ich das beste Rezept gefunden hatte, denn Nate mochte keine Rosinen, aber man konnte auch Kräuterbrote machen und Sauerteigbrote und alles Mögliche.« Ich ahne, was Edgar Franklin als Nächstes sagen wird, und ich irre mich nicht. Aber er
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