Die Frau des Praesidenten - Roman
sagt es viel zurückhaltender und viel weniger melodramatisch, als er es könnte. Er sagt: »Dieses Abendessen für meinen Sohn habe ich nie gekocht.«
Es ist ganz still in der Limousine – um sie herum sind auf allen Seiten Leibwächter postiert –, und nach einer Weile sage ich: »Ich habe erlebt, wie es ist, wenn jemand jung stirbt, und ich weiß, dass es auf ganz eigene Weise entsetzlich ist. Es erscheint unerträglich, und dann erträgt man es doch, weil man einfach keine Wahl hat.« Ich zögere kurz, bevor ich fortfahre. »Wenn es irgendetwas gäbe, was ich tun könnte, um Ihnen Ihren Sohn zurückzugeben, um das ungeschehen zu machen, was geschehen ist, dann würde ich es tun.«
»Es wäre in jedem Fall hart, egal, wie es passiert wäre«, sagt Edgar Franklin. »Aber es gab nichts, das es wert gewesen wäre, dafür sein Leben zu geben. Massenvernichtungswaffen, die nie gefunden wurden? Zugang zu Ölfeldern? Räuber-und-Gendarm-Spiele für Politiker? Das hört sich vielleicht nach guten Gründen an, solange es nicht um den eigenen Sohn geht.«
Edgar Franklin hat eine Khakihose und ein weißes kurzärmeliges Hemd an, unter dem das Unterhemd hervorschimmert. Dazu trägt er eine Armbanduhr mit einem schwarzen Lederarmband, einen schlichten goldenen Ehering an der linken Hand und braune Lederslipper mit Ziersenkeln daran. Die Bommeln an diesen Ziersenkeln sind es, die mir schließlich fast das Herz brechen. Ich sehe ihm direkt in die Augen und sage: »Ich glaube, Sie haben recht. Es wird Zeit, dass wir diesen Krieg beenden und die Truppen nach Hause holen.«
Am Wahltag, dem siebten November 2000, gaben wir in Madison unsere Stimmen ab, sobald die Wahllokale geöffnet hatten.Charlie und ich betraten gleichzeitig die mit einem Vorhang abgeschirmten Holzkabinen in einer Grundschule in der Nähe der Gouverneursvilla, und dann stellten wir uns Hand in Hand davor und winkten mit unseren freien Armen den versammelten Journalisten, Fotografen, Kameramännern und Unterstützern zu. Gleich darauf bestiegen wir ein Flugzeug, das uns zu unseren letzten Wahlkampfauftritten bringen sollte, zu einer Kundgebung in Portland, Oregon – es war klar, dass es in Oregon knapp ausgehen würde –, und einer in Minneapolis, und anschließend flogen wir nach Wisconsin zurück und fuhren zu dem Hotel, in dem wir uns mit einigen unserer Mitarbeiter und mit Verwandten in einer Suite die Wahlergebnisse ansehen wollten. Arnold Prouhet und seine Familie waren dabei, und alle Blackwells. Unsere Neffen Harry und Drew hatten sich von Anfang an in den Wahlkampf für Charlie gestürzt, und Harold und Ed hatten unermüdlich Spendengelder gesammelt. An jenem Abend waren außer Ella, Harold und Priscilla auch Charlies Brüder angereist, alle mitsamt ihren Ehefrauen und den Kindern, von denen die meisten schon verheiratet waren und selbst Kinder hatten, und dass sie sich so vollzählig versammelt hatten, fanden Charlie und ich sehr rührend. Irgendjemand hatte Dutzende Pizzen bestellt, und die ganze Suite brummte vor Aufregung und Vorfreude; der einzige ruhige Augenblick, für den ich sehr dankbar war, trat ein, als Reverend Randy vor dem Essen ein Gebet anstimmte. Es war kein Geheimnis, dass die Wahl knapp ausgehen würde, aber Hank war zuversichtlich, dass Charlie gewinnen würde, und Charlie selbst ebenso. Ohne dass wir darüber gesprochen hätten, sondern mehr wegen der Blicke, die wir miteinander tauschten, und wegen der Dinge, die wir
nicht
sagten, war ich ziemlich sicher, dass mein Schwiegervater und ich die Einzigen waren, die ernsthaft an Charlies Sieg zweifelten. Harold war im Ruhestand, oder im Unruhestand, wie er es gern nannte, aber er pflegte immer noch enge Beziehungen zu Mitgliedern des Republican National Committee, und deshalb hielt ich seine Zweifel für begründet, während meine eher intuitiv waren. Ob ich mir wünschte, dass Charlie die Wahl gewann,spielte längst keine Rolle mehr. Natürlich wollte ich es, und selbstverständlich wollte ich es nicht. Ich hoffte auf seinen Sieg, wie man auf den Sieg des heimischen Baseballteams oder der Highschool-Fußballmannschaft der eigenen Tochter hofft. Ich wollte diesen Moment des Triumphs erleben, wollte, dass sich unsere Vorfreude zur Begeisterung steigerte, statt in Enttäuschung umzuschlagen, was nicht unbedingt bedeutete, dass ich mir auch die langfristigen Konsequenzen des Sieges wünschte. Ich hoffte, dass Charlie die Wahl gewann, aber ich wollte nicht, dass er Präsident
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