Die Frau des Praesidenten - Roman
Tatendrang war – nicht nur, was das Haus anbelangte; es gab da auch noch mein Büchereiprojekt.
Ich hatte 1968 meinen Abschluss an der University of Wisconsin gemacht, danach zwei Jahre unterrichtet – Drittklässler, ein besonders wildes Alter – und war dann an die Uni zurückgegangen, um meinen Magister in Bibliothekswissenschaft zu machen. Während des Unterrichtens hatte ich festgestellt, dass ich die Zeit, in der ich den Kindern vorlas, als die schönste des Schultages empfand: Den Körper erwartungsvoll nach vorne gelehnt, saßen sie mit weitaufgerissenen Augen im Schneidersitz auf dem Boden und lauschten
Wilbur und Charlotte, Harold and the Purple Crayon, Blueberries for Sal
. Das Leben als Bibliothekarin stellte ich mir als eine einzige Vorlesestunde vor. Mit dem Magister in der Tasche fing ich 1972 an der Liess Elementary an, und fünf Jahre später, mit einunddreißig, arbeitete ich noch immer dort.
Das Projekt, das ich mir für diesen Sommer vorgenommen hatte: zehn große Pappmaché-Figuren von Helden aus Kinderbüchern, darunter Eloise, Mutterhase und Babyhase aus
The Runaway Bunny
, und Unser Herr Hatschi aus der
Unsere-Herren -Reihe
(für die dreieckigen Spitzen von Herrn Hatschis überdimensionalem Kopf hatte ich Maschendraht verwendet). Auf die Idee mit den Figuren war ich im Jahr zuvor an Halloween gekommen, als ich auf der Straße ein kleines Mädchen als Pippi Langstrumpf verkleidet gesehen hatte. Im Frühjahr hatte ich die Verlage wegen der Rechte angeschrieben – ich wäre wohl auch so damit durchgekommen, aber mich schauderte bei dem Gedanken, als Bibliothekarin Urheberrechte zu verletzen –, und Anfang Juni hatte ich die Materialien besorgt. Bis zum ersten Schultag nach dem Labor Day Anfang September sollten alle Figuren in den Büchereiregalen stehen oder, wie im Fall der
Paddler-auf-großer-Fahrt -Figur
, in einem Kanu über dem Eingang hängen.
Allerdings hatte ich die Dimensionen, die das Projekt anzunehmen begann, unterschätzt. Ich hatte mit ein paar Wochen Arbeit gerechnet, aber je länger es dauerte, desto mehr vereinnahmtees mich. Zu Beginn hatte ich im Wohnzimmer gearbeitet, doch bald nahmen die Figuren überhand, und da ich nicht wollte, dass sie irgendjemand, der zu Besuch kommen könnte (das hieß hauptsächlich Dena), sah, bevor ich fertig war, legte ich Fußboden und Bett in meinem Schlafzimmer mit Packpapier aus und schlief ab sofort auf der Couch im Wohnzimmer. Beim Arbeiten trug ich einen Jeansrock und alte Hemden meines Vaters, bekleckste mich laufend mit dem Pulver-Wasser-Gemisch und schwitzte, da ich keine Klimaanlage besaß.
Morgens, bevor es heiß wurde, lief ich über das Unigelände zum Lake Mendota, spazierte am Wasser entlang, das in der Sonne funkelte und sanft gegen das Ufer plätscherte, und wenn ich zurückkam, arbeitete ich bis mittags, oder, wenn es keine Häuser zu besichtigen gab, auch länger. Wenn ich dann am frühen Abend endlich Schluss machte, bereitete ich mir einen Tomaten-Mais-Salat oder ein Schweinekotelett zu, setzte mich nach dem Essen mit einem Bier im Schlafzimmer auf die Fensterbank und bewunderte mein Tagewerk. Ich hatte bislang noch niemandem von dem Projekt erzählt und fragte mich manchmal, ob es die anderen Lehrer vielleicht seltsam oder übereifrig finden könnten. Aber dann dachte ich an die Kinder, wie sie am ersten Schultag in die Bücherei kommen würden, und freute mich darauf.
Nadine rief mich am frühen Freitagnachmittag zurück. »Der Verkäufer hat ein Gegengebot abgegeben – wärst du bereit, auf fünfunddreißigeinhalb hochzugehen?«
Wenn ich, wie mit dem Kreditberater der Bank besprochen, zwanzig Prozent anzahlen würde, wären das siebentausendeinhundert Dollar. »Okay«, sagte ich.
»Meine Güte, du machst es einem viel zu leicht. Willst du nicht wenigstens ein bisschen protestieren?«
Ich lachte. »Ich will das Haus.«
»Geht klar. Halt dich bereit.«
Zwanzig Minuten später rief sie wieder an und sagte: »Ich darf dir als Erste zum Eigenheim gratulieren.«
Ich schrie auf.
»Was hältst du davon, gleich in meinem Büro vorbeizukommen und zu unterschreiben? Außerdem empfehle ich dir, noch heute den Gutachter anzurufen. Und darf ich dir noch einen Vorschlag machen?«
»Klar«, sagte ich.
»Geh und kauf dir eine Flasche Schampus. Es gibt ’ne Menge, worauf du dich freuen kannst.«
Am nächsten Nachmittag holte mich Dena für das Barbecue bei den Hickens ab, aber vorher fuhren wir noch in der
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