Die Frau des Praesidenten - Roman
mir nichts ausmachte. Das Ironische daran war, dass es mir wirklich nichts ausmachte oder zumindest nicht so, wie sie es vermuteten. Wenn ich in weniger wohlwollenden Momenten über diese Frauen nachdachte, kamen mir Gedanken wie:
Es ist ja nicht so, dass ich eure Männer nicht hätte haben können; ich wollte nur nicht
. Doch man traf nur äußerst selten verheiratete Frauen, die sich vorstellen konnten, dass eine alleinstehende Frau die Wahl ihres Familienstands bewusst getroffen hatte. Ich wechselte meine Sitzposition auf der Bank. »Jeanette, Frank und du, ihr wart über den Vierten Juli in Sheboygan, nicht wahr? Das war bestimmt herrlich.«
»Nun ja, wenn man sich anschaut, wie Franks Mutter Katie und Danny herumkommandiert, glaubt man nicht, dass sie mal selbst Kinder großgezogen hat.« Jeanette schüttelte den Kopf. »Ein pausenloses ›Legt das wieder hin, hört mit dem Herumgerenne auf‹. Wozu sonst waren wir denn bitte dort, wenn nicht zum Herumtoben der Kinder? Und Frank hatte noch fünf Geschwister, wobei er behauptet, sie sei damals ausgeglichener gewesen.«
»Das ist nicht leicht«, sagte ich.
»Oh, aber du kannst dich glücklich schätzen, überhaupt Erwachsene um dich herum gehabt zu haben, Jeanette«, meldete sich Rose zu Wort. »Als Wade und ich mit den Kindern in La Crosse waren, hat er dermaßen viel Zeit beim Angeln verbracht – ich fühlte mich wie verwitwet. ›Wade‹, hab ich zu ihm gesagt, ›wenn du nicht aufpasst, wird dein Sohn bald nicht mehr wissen, wie sein Daddy aussieht.‹«
Jeanette gluckste, und um nicht unfreundlich zu wirken, tat ich es auch, aber die Bemerkung ließ mich an meine Mutter und Großmutter denken – die wirklich verwitwet waren – und wie viel lieber ich jetzt bei ihnen in Riley wäre, statt mit diesen beiden Frauen hier am Tisch zu sitzen. Oder ich könnte an meinen Pappmaché-Figuren arbeiten – ich war schon zur Hälfte mit Babar fertig (sein Rüssel gestaltete sich schwierig), aber mit Yertle the Turtle hatte ich noch nicht einmal angefangen – oder mit Papier und Bleistift zu Hause sitzen und Pläne für mein Haus schmieden.
»Alice, stimmt es, dass du seit diesem großen Burschen keinen festen Freund mehr hattest?«, fragte Rose. »Wie war noch mal sein Name …«
»Simon.« Ich versuchte abermals nett zu lächeln, und dann gab ich ihr, was sie mit Sicherheit hören wollte – ein Eingeständnis meiner Fehlbarkeit –, da ich hoffte, sie würde danach das Thema fallenlassen: »Schätze, ich mache gerade eine Durststrecke durch.«
»Es gibt da diesen ziemlich gutaussehenden Kollegen von Frank in der Staatsanwaltschaft«, sagte Jeanette.
»Jeanette, Alice mit einem Schwerverbrecher verkuppeln zu wollen ist nicht gerade nett«, sagte Rose.
Sie gab ihr einen Klaps. »Das meine ich doch gar nicht. Er ist auch Anwalt, mit einem ganz unglaublichen Haus drüben in Orchard Ridge. Du hättest doch nichts gegen einen Leguan?«
»Also, ich bin mir nicht sicher, ob ich der Reptilien-Typ bin.« Ich stand auf. »Ich gehe mal Wein besorgen. Kann ich euch etwas mitbringen?«
»Wenn du zurückkommst, erinnere mich daran, dir von dem neuen Direktor an Katies Schule zu erzählen«, sagte Jeanette.»Er ist groß, kräftig und hat eine ganz kleine, zierliche chinesische Frau.«
Ich nickte mehrfach und hielt mein leeres Glas nach oben, als wolle ich damit unterstreichen, dass ich mich nicht von ihnen entfernte, weil ich sie unerträglich fand.
Als ich auf der Terrasse an Dena und Charlie Blackwell vorbeilief, berührte Dena mit ihren Fingerspitzen gerade seinen Unterarm.
Wie schön für sie
, dachte ich mir. Im Haus ging ich in das Bad im Erdgeschoss und hätte beim Rausgehen beinahe Tanya, die ältere der Hickens-Töchter, umgerannt.
Sie hielt mir ein gebundenes Buch hin. »Liest du mir das vor?« Es war
Madelines Rettung
, in dem Madeline in die Seine fällt und von einem Hund gerettet wird.
Ich sah mich um. In der Küche standen einige Erwachsene, darunter Kathleen Hicken, doch sie konnten uns nicht sehen, außerdem bezweifelte ich, dass irgendjemand meine Abwesenheit bemerken würde. »Gern«, sagte ich.
Wir setzten uns nebeneinander im Wohnzimmer auf die Couch. Sie hatte einen hellblonden Bubikopf und große braune Augen. »Weißt du, wie ich heiße?«, fragte ich. »Ich bin Miss Alice. Und du bist Tanya, stimmt’s?«
Sie nickte.
»Und wie alt bist du?«
»Fünfeinviertel.«
»Fünfeinviertel! Dann hast du im April Geburtstag?«
»Am
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