Die Frau des Praesidenten - Roman
beinahe, sie würde mich anschreien, doch sie blieb vollkommen ruhig. »Ich hab die Schnauze voll von deiner Heuchelei. Du wolltest immer das brave Mädchen sein, also geh und werd die Frau eines Kongressabgeordneten. Verbring all deine Zeit mit den Trommlersund den Hickens und den anderen verklemmten Pärchen. Lass dir von Charlie Schmuck und Autos kaufen.« Obwohl wir nie bestellt hatten, hatten wir uns beide die Serviette auf den Schoß gelegt; sie zerknüllte ihre nun, warf sie auf den Tisch und stand auf. »Ich hoffe, du bekommst von ihm alles, was du willst.«
Sie ging, und der Umstand, sitzengelassen worden zu sein, machte mich verlegen. Ungläubig sann ich über ihre übertriebene Reaktion nach, die ich zwar befürchtet, aber eigentlich nicht erwartet hatte. Und dann war da noch was, etwas, das von weiter unten zu kommen schien: Tiefe Dankbarkeit, dass sie, genau wie Pete Imhof, nicht Andrews Namen genannt hatte.
Bei meinem nächsten Besuch in Riley wartete ich, bis wir mit dem Mittagessen fertig waren, um meiner Mutter und Großmutter zu sagen, dass ich nicht über Nacht bleiben würde. »Ich habe heute Abend eine Verabredung in Madison, daher werde ich gegen Nachmittag zurückfahren«, sagte ich betont beiläufig. Es war heiß an diesem Samstag, und wir hatten gerade unsere Hühnchen-Salat-Sandwiches aufgegessen.
»Wirklich, schon heute Nachmittag?«, fragte meine Mutter, und meine Großmutter sagte: »Was denn für eine Verabredung?« Seit dem Tod meines Vaters war ich immer über Nacht geblieben, wenn ich zu Besuch kam.
Ich sah meine Großmutter an – sie hätte sich denken können, dass meine Pläne etwas mit Charlie zu tun hatten, und sie hätte sich auch denken können, dass ich mich konkreter geäußert hätte, wenn ich es denn gewollt hätte – und sagte: »Nur ein paar Leute, die sich auf der Mendota Terrace treffen.« Das war noch nicht einmal gelogen: Zum ersten Mal würde ich ein paar von Charlies Freunden kennenlernen.
Nachdem meine Mutter aufgestanden war, um die Teller abzuräumen, packte mich meine Großmutter beim Handgelenk und hielt mich zurück. Kaum war meine Mutter in der Küche verschwunden, murmelte sie: »Sie hat extra für dich eine Wiener Torte zum Nachtisch heute Abend gemacht.«
»Oh, das wusste ich nicht …, doch, dann bleibe ich natürlich«, sagte ich.
Meine Mutter kam zurück ins Esszimmer, und meine Großmutter sagte: »Dorothy, es klingt, als hätte deine Tochter einen neuen Kavalier.«
»Du meine Güte.« Meine Mutter, nicht ich, war diejenige, die in diesem Moment rot wurde.
»Es ist noch nichts Offizielles.« Ich warf meiner Großmutter einen verärgerten Blick zu. »Er heißt Charlie, ist in Madison und Milwaukee aufgewachsen, und ich habe ihn über Kathleen Hicken und ihren Mann kennengelernt, erinnerst du dich an sie?« Diese Informationen schob ich natürlich nur vor, um die eigentlich interessanten Details wie Charlies Herkunft oder seine politischen Pläne nicht preisgeben zu müssen. Ich war mir nicht sicher, wie meine Familie angesichts der Maxime meines Vaters »Nur wer zu sehr verliebt in sich …« auf die Neuigkeiten reagieren würde. Außerdem wurde mir in diesem Moment bewusst, dass ich keine Ahnung hatte, in welche politische Richtung meine Mutter tendierte. Ich hatte immer gewusst, dass meine Großmutter Demokratin und mein Vater Republikaner war, aber ob meine Mutter überhaupt wählen ging?
»So ein bisschen Gesellschaft kann etwas Wunderbares sein, findest du nicht auch, Dorothy?«, sagte meine Großmutter.
Meine Mutter, die noch immer stand, nahm die Kanne mit dem Eistee vom Tisch. »Das klingt nach einem interessanten Mann, Alice«, sagte sie und verschwand wieder in der Küche. Nachdem sie den Wasserhahn aufgedreht hatte, flüsterte mir meine Großmutter zu: »Ich wollte ihr den Einstieg erleichtern, um uns von Lars Enderstraisse zu erzählen.«
»Granny, ich glaube wirklich nicht, dass die beiden ein Verhältnis haben.« Ich flüsterte nun ebenfalls. »Worum auch immer es sich bei Moms mysteriösen Besorgungen handelt, ich bin mir ziemlich sicher, dass es nichts mit ihm zu tun hat.«
»Du glaubst also, du bist die Einzige, der der Hof gemacht wird?« Meine Großmutter gluckste und sagte dann in normaler Lautstärke: »Da hat aber jemand eine schrecklich hohe Meinung von sich selbst.«
Am Nachmittag saßen meine Großmutter und ich im Wohnzimmer und lasen, sie auf der Couch, ich im Sessel, und als ich nach meiner Mutter
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