Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Bote mit der verletzten Stirn etwas unter seinem Mantel hervor. Einen kleinen Gegenstand, der im strahlenden Licht des heiteren Januartages blitzte.
Hilda vermochte nicht mit Gewissheit zu sagen, was es war. Nur diejenigen, die in unmittelbarer Nähe standen, sahen, dass es sich um einen Ring handelte; und dass er genauso aussah wie der, den Ragnhilds geliebter Gemahl Albert stets an seiner Hand getragen hatte.
Mit zittrigen Fingern nahm Ragnhild ihn entgegen. Entsetzt musste sie feststellen, dass er blutverschmiert war; es gab für sie keinen Zweifel daran, dass es Alberts Blut sein musste. Völlig entrückt kratzte sie die Verkrustungen von dem Ring und zerrieb die Rückstände zwischen den Fingern. Einen Augenblick später sackte sie ohnmächtig zusammen.
Conrad war sogleich zur Stelle. Fast liebevoll hob er seine Schwägerin auf, als wöge sie nicht mehr als ein Kind, und trug sie aus der Menge. Die meisten Anwesenden zeigten sich gerührt von so viel Mitgefühl. Niemand bemerkte, wie sehr sich Conrad dazu zwingen musste, die ihm Verhasste auch nur zu berühren, und keiner von ihnen verstand, dass dieses Verhalten bloß Teil eines Plans war, der schon lange zuvor gereift war. Keiner außer den Mitwissenden natürlich – Willekin, Vater Lambert, Johannes, Heseke und Ingrid.
Alle fünf mussten sich ebenso um ein betroffenes Gesicht bemühen, da sie eigentlich innerlich frohlockten, angesichts der Tatsache, dass ihr Bote erfolgreich gewesen war und ihr teuflischer Plan nun weiter in die Tat umgesetzt werden könnte.
Die Feierlichkeiten hatten schlagartig ein Ende gefunden. Alle Bürger der Stadt, die noch eben gejubelt hatten, gingen jetzt betroffen in ihre Häuser zurück, und Bertram Esich führte die Boten ins Rathaus, um Genaueres über ihre Reise zu erfahren.
Conrad blieb tatsächlich nichts übrig, als Ragnhilds bewegungslosen Körper bis in die Reichenstraße zu tragen. Als er schon fast meinte, es nicht ganz zu schaffen, erreichten er und Luburgis endlich Ragnhilds Kammer. Achtlos warf er sie regelrecht auf das Bett und befahl seinem Weib schroff: »Versorge sie!«
Gleich darauf zog er sich in sein Kontor zurück. Er musste nachdenken. Zig Fragen, auf die er noch keine Antwort hatte, schwirrten ihm im Kopf herum. Wie waren die Boten an Alberts Ring gekommen? Hatten sie seinen Bruder tatsächlich gefunden? Waren sie auf sein Grab gestoßen, oder hatten sie ihn ermordet? Doch zu weiteren Gedanken sollte es nicht mehr kommen. Kaum hatte er sich auf seinen Sessel fallen lassen, stand auch schon sein Schwager Johannes, in Begleitung seiner Gemahlin Heseke, in der Tür des Kontors. Diese beiden waren tatsächlich die Letzten, die Conrad nun zu sehen wünschte. Ohne um Einlass zu bitten, kamen sie herein und bauten sich vor seinem Schreibtisch auf.
Conrad bemühte sich gar nicht erst, seinen Unmut darüber zu verbergen. »Was wollt Ihr hier? Das ist mein Haus, und ich entscheide noch immer vorher, wem Einlass gewährt wird.«
Mit einem kurzen Lachen erwiderte Johannes: »Ihr vergesst Euch, liebster Schwager. Jetzt, da die Umstände klar sind und Euer Bruder in der Hölle weilt, schuldet Ihr mir den verlangten Gehorsam. Wir sind nur gekommen, um Euch an Euer Versprechen zu erinnern. Es ist nun an der Zeit, dafür zu sorgen, dass das Weib Ragnhild freiwillig ins Kloster der Beginen geht. Doch keine Angst, Ihr seid nicht allein mit dieser Aufgabe. Meine Gemahlin wird Euch dabei, wie damals angekündigt, zur Hand gehen.«
Voller Verachtung antwortete Conrad: »Heseke! Warum bin ich nicht überrascht? Ich hätte mir denken können, dass Ihr Eure Finger mit im Spiel habt.« Resigniert fügte er hinzu: »Lasst mich raten, nun werdet Ihr mir sagen, wie die weitere Umsetzung Eures Plans aussieht?«
»Ganz recht, werter Schwager«, gab Heseke zurück. »Genau das habe ich nun vor. Allerdings nicht, ohne zunächst Eure Gemahlin hinzuzubitten. Ich finde, es wird Zeit, dass Luburgis erfährt, auf welche Weise Euer schändliches Verhalten ihr gegenüber gesühnt wird.« Hesekes Stimme klang überheblich, und ihre Verachtung über Conrads Tat war nicht zu überhören.
Noch bevor Conrad Einspruch erheben konnte, stand Luburgis auch schon im Raum. Ganz eindeutig hatte sie nur auf dieses Zeichen gewartet. Mit unbewegter Miene trat sie ein, während ihr stechender Blick unbewegt auf ihrem Gemahl ruhte. Tief in ihrem Inneren allerdings hatte sich die Entsprechung eines übergroßen Grinsens ausgebreitet. Ja, sie musste
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