Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
bemühen, sich nichts anmerken zu lassen, was ihm nur schwerlich gelang. Alheidis hatte von dem Vorfall zum Glück nichts mitbekommen, weil sie zu sehr mit ihren geliebten Tuchen beschäftigt gewesen war. Albert wusste, dass seine Frau es nicht besonders schätzte, wenn er über Ragnhild sprach. Die ersten Wochen der Ehe hatte sie ihm geduldig zugehört, doch irgendwann kam eine Zeit, da sie ihren Gemahl wissen ließ, dass es nun genug sei; und sie hatte ja auch recht.
So hörte Albert auf, über Ragnhild zu sprechen – doch er wusste genau, niemals würde er es je unterlassen, im Stillen an sie zu denken. Erst als Alheidis sich frühzeitig in die eheliche Schlafkammer zurückzog, da sie sich nach der Anstrengung des Marktbesuchs unpässlich fühlte, griff Albert entschlossen zum Weinkrug.
Walther hatte sich zuerst zu ihm gesellt. Der Achtundzwanzigjährige wohnte noch immer bei Albert im Haus, und er führte auch noch immer seine Bücher. Genauso, wie es vor vierzehn Jahren um ihn bestellt war, war es auch noch heute. Walther war glücklich damit. Seine Leidenschaft galt dem Minnesang und der Dichtkunst; Arbeit war eine Notwendigkeit, die er gewissenhaft, aber leidenschaftslos verrichtete. Konnte er dichten und singen, hatte er alles, was er brauchte. Im Gegensatz zu seinen Freunden dürstete es ihn nicht nach mehr Vermögen, einem eigenen Haus oder feinen Kleidern.
Thiderich war als Letzter dazugestoßen. Wie fast jeden Tag war er auch heute wieder im Hause seines Freundes. Obwohl er bereits seit vielen Jahren mit seinem Weib und seinem Sohn ein eigenes Haus auf der Grimm-Insel bewohnte, führten die Männer noch immer den Holzhandel zusammen. Es lag schon einige Jahre zurück, da hatte Thiderich Ava von Staden geheiratet, die Albert damals abgelehnt hatte. Noch immer war sie eine dunkelhaarige Schönheit mit auffallend blasser und ebenmäßiger Haut. Thiderichs Stolz darüber, eine so schöne Frau zu haben, war nach wie vor ungebrochen.
Noch bis spät in die Nacht saßen die drei Freunde zusammen, redeten und tranken, bis sie irgendwann in ihren Sesseln einschliefen.
Mitten in der Nacht wurde die Ruhe des Hauses jäh gestört. Ein markerschütternder Schrei hallte lange und schrill durch seine Kammern und weckte die Männer unsanft. Tief erschrocken fuhren sie gleichzeitig aus ihren Sesseln hoch und schauten einander fragend an. Albert hatte dabei den noch halbvollen Krug mit sich gerissen, worauf er mit einem lauten Scheppern zu Boden ging und diesen dunkelrot färbte.
»Was zur Hölle war das, Albert?«, fragte Thiderich benommen.
Es dauerte eine Zeit, bis Albert antwortete. Er griff sich an den schmerzenden Kopf. Dann aber erstarrte er und rief: »Alheidis!«
Die Männer rannten zur Schlafkammer, wo Alberts Magd sich sofort mit ausgebreiteten Armen in die Türe stellte. Hinter ihr konnte Albert seine Tochter sehen, wie sie Laken und eine Schüssel mit Wasser vorbereitete. Die Wehmutter war schon zugegen und kniete zwischen den Beinen seiner Frau. Eine ihrer Hände verschwand gerade gänzlich in Alheidis’ Schoß, während die andere auf den aufgeblähten Bauch der Kreißenden drückte. Die Wehmutter schwitzte und stöhnte und war umgeben von Blut; sehr viel Blut. Und Alheidis schrie.
»Tretet gefälligst zur Seite, ich will zu meiner Frau«, befahl er barscher, als er wollte.
Doch die Magd dachte gar nicht daran, dem Befehl ihres Herrn Folge zu leisten. »Herr, geht. Dies ist Frauensache. Domina Alheidis verliert wahrscheinlich das Kind. Nun müssen wir ihr Leben retten. Ihr könnt uns hier nicht helfen.« Dann schloss sie die Tür von innen.
Die Stunden vergingen, ohne dass sich etwas an der Situation änderte. Die Schreie der Gebärenden erfüllten das ganze Haus. Thiderich hatte sofort nach Ava schicken lassen und wich selbst nicht von Alberts Seite. Zwanghaft und erfolglos hatten die Männer versucht, ihre Arbeit im Kontor aufzunehmen, um sich irgendwie abzulenken. Doch Alheidis’ Schreie raubten ihnen jede Konzentration.
Irgendwann wurde es dann schließlich ruhiger im Haus. Die immer wieder zu vernehmenden Schreie ebbten mehr und mehr ab. Zunächst wurden sie bloß leiser, dann kamen sie nur noch in großen Abständen, bis kaum noch welche zu vernehmen waren.
Albert hatte die Schreie seiner Frau zunächst als unerträglich empfunden, doch das jetzige Ausbleiben stellte sich als weit schlimmer heraus.
Die Sonne stand schon lange am Himmel, als Ava vollkommen blutverschmiert in das Kontor
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